Basisdaten | |
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Titel: | Verordnung über die Regelung des militärischen Vorgesetztenverhältnisses |
Kurztitel: | Vorgesetztenverordnung |
Abkürzung: | VorgV |
Art: | Bundesrechtsverordnung |
Geltungsbereich: | Bundesrepublik Deutschland |
Erlassen aufgrund von: | § 1 Abs. 4, § 72 Abs. 2 SG a. F. |
Rechtsmaterie: | Wehrrecht |
Fundstellennachweis: | 51-1-1 |
Erlassen am: | 4. Juni 1956 (BGBl. I S. 459 ) |
Inkrafttreten am: | 8. Juni 1956 |
Letzte Änderung durch: | Art. 1 VO vom 7. Oktober 1981 (BGBl. I S. 1129 ) |
Inkrafttreten der letzten Änderung: |
25. Oktober 1981 (Art. 2 VO vom 7. Oktober 1981) |
Weblink: | Vorgesetztenverordnung |
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten. |
In Deutschland regelt die Vorgesetztenverordnung (VorgV) als elementarer Bestandteil der Inneren Führung der Bundeswehr die Vorgesetztenverhältnisse, nach denen sich das Prinzip von Befehl und Gehorsam in der Bundeswehr zu richten hat.
Nach § 1 Soldatengesetz (SG) ist Vorgesetzter, wer befugt ist, einem Soldaten Befehle zu erteilen. Das Grundgesetz bestimmt, dass der Bundesminister der Verteidigung im Frieden Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt (IBuK) ist (Art. 65a GG) und diese im Verteidigungsfall auf den Bundeskanzler (Art. 115b GG) übergeht.
Der höchste militärische Vorgesetzte ist der Generalinspekteur der Bundeswehr.
Die Verordnung über die Regelung des militärischen Vorgesetztenverhältnisses (Vorgesetztenverordnung – VorgV) wurde am 19. März 1956 erlassen und trat am Tag nach ihrer Verkündung, dem 8. Juni 1956, in Kraft. Zuletzt wurde sie durch Verordnung am 7. Oktober 1981 geändert.
Die Verordnung teilt ein in
Grundsätzlich gilt: Der Befehlsgeber hat auch die Folgen des Befehls zu tragen (Befehlsverantwortung).
Gibt ein Vorgesetzter einem Untergebenen einen Befehl, der einem an diesen bereits erteilten Befehl widerspricht oder den zuerst erteilten Befehl in der Ausführung in bedeutendem Maß verzögert, so hat der Untergebene die Pflicht, den Vorgesetzten darauf hinzuweisen (Teil der Befehlsprüfung), dass er bereits einen anderen Auftrag hat. Der Befehlsgeber muss nun seinerseits prüfen, ob sein Auftrag wichtiger ist und entsprechend den Befehl wiederholen oder den Auftrag einem anderen Soldaten übertragen.
Der Untergebene muss immer dem zuletzt erfolgten Befehl Gehorsam leisten, es sei denn, dass dessen Ausführung eine Straftat beinhaltet oder einen schweren Verstoß gegen geltendes Völkerrecht bedeuten würde. Derartige Befehle darf er nicht ausführen.
Befehle, die gegen die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) verstoßen (z. B. „Küssen Sie mir die Schuhe“), nicht zumutbar sind oder keinen dienstlichen Zweck verfolgen (z. B. „Waschen Sie meinen Privatwagen“), braucht er nicht auszuführen.
Verhindert der zuletzt erhaltene Auftrag die Ausführung eines vorher erhaltenen oder schränkt dessen Ausführung ein, so hat der Untergebene dies dem ersten Befehlsgeber so bald wie möglich mitzuteilen. Der Untergebene ist hiermit aller Verantwortung entledigt, dass er den eigentlichen (ursprünglich erteilten) Befehl nicht ausgeführt hat. Im Jargon gibt es hierzu einen Spruch: „Melden macht frei und belastet den Vorgesetzten!“
In dem Fall, in dem sich zwei Soldaten gegenüberstehen, bei denen jeder gegenüber dem anderen aus verschiedenen Gründen vorgesetzt ist, so ist die Abfolge der „Gewichtung“ der Paragraphen der VorgV festgelegt. Es gilt: § 5 vor § 3 vor § 1 vor § 2 vor § 4. § 6 ist hiervon ausgenommen, da er voraussetzt, dass bis zur „eigenen Erklärung“ kein Vorgesetztenverhältnis besteht.
Eine militärische Anlage ist eine Zusammenfassung von militärischen Objekten zu einem einheitlichen Zweck (z. B. Kaserne, Fliegerhorst). Ihr Kennzeichen ist die Bodenständigkeit. Ein Schiff oder Boot ist damit keine militärische Anlage. Die entsprechende Befehlsbefugnis wird in § 4 Abs. 1 geregelt. Umschlossen ist eine militärische Anlage dann, wenn sie mit Schutzvorrichtungen versehen ist, die ein Unbefugter nur unter Aufwand von Kraft oder Geschicklichkeit überwinden kann (z. B. Zaun, Mauer). Verbotsschilder allein genügen nicht.
Eine Einheit im Sinne dieser Vorschrift ist die unterste militärische Gliederungsform, deren Führer die Disziplinarbefugnis (z. B. Kompanie, Batterie, Inspektion, Staffel) hat. Eine Teileinheit ist jede Gliederungsform unterhalb der Einheit deren Führer keine Disziplinarbefugnis hat.
Ein Verband im Sinne dieser Vorschrift ist eine gliederungsmäßige oder zeitlich begrenzte Zusammenfassung mehrerer militärischer Einheiten[1]. Dies schließt Großverbände begrifflich mit ein.
Die Stellung des unmittelbaren Vorgesetzten ist im § 1 geregelt. Unmittelbare Vorgesetzte sind die Führer eines Verbandes, Führer einer Einheit, Führer einer Teileinheit und Leiter einer Truppeneinheit (z. B. Truppführer, Gruppenführer, Zugführer, Kompaniechef, Kommandeur[2]) gegenüber allen ihnen zukommandierten oder zuversetzten Soldaten in und außer Dienst. Sie haben die Vorgesetztenfunktion innerhalb und außerhalb umschlossener militärischen Anlagen inne. Die Funktion umfasst die allgemeine Befehlsbefugnis.
Die Befehlsbefugnis gilt nur gegenüber zukommandierten oder zuversetzten Soldaten. Wird ein Soldat z. B. für Dienstleistungen in eine andere Kompanie oder Dienststelle abgestellt, dann gilt die Befehlsbefugnis nicht mehr, es sei denn eine Vorgesetztenfunktion aufgrund einer anderen Vorschrift besteht immer noch. Die Funktion geht nur dann auf den Stellvertreter über, wenn der Vorgesetzte selbst nicht anwesend oder in der Lage ist, die Funktion auszuüben (dienstbefreit, abkommandiert, versetzt oder tot ist).
Fachvorgesetzte gibt es nur in den Fachdiensten (Geoinformationswesen der Bundeswehr, Sanitätsdienst und Militärmusikdienst) und sind dort auch nur die Leiter des Fachdienstes. Der Vorgesetzte ist nur gegenüber den fachdienstlich unterstellten Soldaten und nur zu fachdienstlichen Zwecken befehlsbefugt (z. B. der Leitende Sanitätsoffizier einer Division gegenüber den Truppenärzten der Division). Im Gegensatz zum unmittelbaren Vorgesetzten kann der Fachvorgesetzte nur dann Befehle erteilen, wenn sich sowohl er als auch der Befehlsempfänger im Dienst befinden. Die Befugnis gilt aber ebenfalls innerhalb und außerhalb militärischer Anlagen.
Vorgesetzter mit besonderem Aufgabenbereich kann jeder Soldat sein, der eine spezielle Funktion wahrnimmt und ist dann innerhalb seines Bereiches gegenüber allen Soldaten, die seinen Bereich tangieren, vorgesetzt. Die Befehlsbefugnis gilt nur in dem ihm zugewiesenen Bereich und nicht gegenüber seinem unmittelbaren Vorgesetzten des Aufgabenbereiches. Der Aufgabenbereich muss so umfangreich sein, dass er eine Dienststellung erfordert. Dienststellung ist ein auf Dauer oder ständige Wiederkehr angelegter und organisatorisch festgelegter Pflichtenkreis, der grundsätzlich durch Dienstvorschriften oder Dienstanweisungen geregelt sein muss. Auf den Dienstgrad kommt es dabei nicht an. Das Vorgesetztenverhältnis besteht nur, wenn sich zumindest der Befehlsgeber im Dienst befindet. Der Befehlsempfänger kann auch dienstfrei haben (z.B. Kontrolle eines Soldaten, der nach Dienstschluss die Kaserne betreten will, durch die Wache). Unter „Dienst“ ist die in der entsprechenden Dienstanweisung festgelegte Dauer zu verstehen.
Diese spezielle Befehlsbefugnis wird besonders von Soldaten mit speziellen Dienststellungen wahrgenommen, wie z.B. vom Unteroffizier vom Dienst (UvD), von Wachsoldaten, vom Feldwebel vom Wochendienst (FvW), vom Kompaniefeldwebel, vom Truppenarzt, von den Soldaten der Feldjägertruppe und vom Kasernenkommandanten. Dabei gibt es aber einige Einschränkungen:
Die Befehlsbefugnis gilt innerhalb und außerhalb umschlossener militärischer Anlagen.
Dieser Paragraph ist in drei Absätze gegliedert. Absatz 1 und 2 regeln die Vorgesetztenverhältnisse innerhalb derselben Einheit (Abs. 1) und derselben Dienststelle bzw. des Stabes (Abs. 2) und Absatz 3 regelt das Vorgesetztenverhältnis von Dienstgradgruppenhöheren gegenüber Dienstgradgruppenniedrigeren.
Das Vorgesetztenverhältnis nach den Absätzen 1 und 2 tritt nur ein, wenn sich sowohl Befehlender als auch Befehlsempfänger im Dienst befinden. An Bord von Schiffen gilt jedoch, dass Besatzungsmitglieder in den entsprechenden Dienstgraden auch außer Dienst Befehlsbefugnis gegenüber anderen Soldaten haben, auch wenn diese ebenfalls außer Dienst sind, und selbst wenn diese nicht zur Besatzung gehören. Die Befugnis gilt allgemein innerhalb und außerhalb von militärischen Anlagen. Eine Befehlsbefugnis haben dabei:
Die Regelung des Absatzes 3 dagegen greift nur innerhalb geschlossener militärischer Anlagen. Die beteiligten Soldaten können im oder außer Dienst sein. Dienstgradgruppen sind:
Daher kann also beispielsweise der Major dem Leutnant, der Feldwebel dem Stabsunteroffizier und der Leutnant dem Obergefreiten Befehle erteilen. Bei der Befugnis nach diesem Paragraphen handelt es sich um eine allgemeine Befehlsbefugnis.
Vorgesetzter aufgrund besonderer Anordnung kann jeder Soldat sein, der eine besondere Aufgabe übernimmt (z. B. Leiter der Sportausbildung, Fahr- oder Fluglehrer). Er wird dies durch dienstliche Bekanntgabe der Anordnung gegenüber den Soldaten, die ihm unterstellt sein sollen. Der Vorgesetzte muss sich, der Unterstellte kann sich im Dienst befinden. Die Befehlsbefugnis gilt innerhalb und außerhalb umschlossener militärischer Anlagen.
Befehlsbefugt ist jeder Soldat, dem ein Vorgesetzter innerhalb seiner Befehlsbefugnis andere Soldaten für eine bestimmte, einmalige Aufgabe vorübergehend unterstellt hat. Dabei soll die Unterstellung eines im Dienstgrad höheren Soldaten nur erfolgen, wenn besondere dienstliche Gründe dies erfordern (z.B.: Fahrlehrer Oberfeldwebel und Fahrschüler Leutnant). Den unterstellten Soldaten ist die Anordnung ihrer Unterstellung dienstlich bekannt zu geben, wobei eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben ist. In der Regel geschieht dies durch einen schriftlichen Befehl des jeweiligen Einheitsführers oder dessen unmittelbaren Vorgesetzten nach bei Einheit übergreifenden Diensten mittels Aushang am „Schwarzen Brett“. Es reicht jedoch auch aus, dass der zum Vorgesetzten bestimmte Soldat den ihm unterstellten Soldaten erklärt: „Alles hört auf mein Kommando!“. Soweit er und die ihm übertragene Aufgabe den Soldaten nicht bekannt sind, wird er sich dabei vorstellen und die Aufgabe nennen, zu deren Durchführung ihm die Soldaten von welchem Befehlshaber unterstellt worden sind.
Zum Vorgesetzten kann sich jeder Soldat ab Unteroffizier aufwärts erklären, wenn dies zur
notwendig ist.
Die Erklärung ist nur möglich gegenüber Soldaten, die keinen höheren Dienstgrad haben oder Vorgesetzte aufgrund der Vorschriften der §§ 1 bis 3 oder 5 sind. Zum Vorgesetzten kann sich auch ein Soldat außer Dienst erklären, auch wenn die ihm untergebenen Soldaten außer Dienst sein sollten. Die Befugnis gilt auch außerhalb militärischer Anlagen.