Strukturformel | |||||||||||||||
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Keine Zeichnung vorhanden | |||||||||||||||
1:1-Gemisch aus (R)-Tabun (links) und (S)-Tabun (rechts) | |||||||||||||||
Allgemeines | |||||||||||||||
Name | Tabun | ||||||||||||||
Andere Namen |
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Summenformel | C5H11N2O2P | ||||||||||||||
CAS-Nummer | 77-81-6 (Racemat) | ||||||||||||||
PubChem | 6500 | ||||||||||||||
Kurzbeschreibung |
farblose bis bräunliche Flüssigkeit mit fruchtigem, bei Erhitzen bittermandelartigem Geruch[1] | ||||||||||||||
Eigenschaften | |||||||||||||||
Molare Masse | 162,13 g·mol−1 | ||||||||||||||
Aggregatzustand |
flüssig | ||||||||||||||
Dichte |
1,08 g·cm−3[2] | ||||||||||||||
Schmelzpunkt | |||||||||||||||
Siedepunkt |
246 °C (Zersetzung)[2] | ||||||||||||||
Dampfdruck | |||||||||||||||
Löslichkeit |
mäßig löslich in Wasser[1] | ||||||||||||||
Brechungsindex |
1,4250 (20 °C)[3] | ||||||||||||||
Sicherheitshinweise | |||||||||||||||
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Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C |
Tabun ist ein Nervenkampfstoff. Die Substanz wurde 1936 vom deutschen Chemiker Gerhard Schrader entdeckt, der damals für die I.G. Farben (in Leverkusen) tätig war. Ab 1942 wurde Tabun industriell gefertigt und im Zweiten Weltkrieg von der deutschen Wehrmacht in Bomben und Granaten verfüllt, jedoch nicht eingesetzt.
Tabun ist ein Ester einer zweifach substituierten Phosphorsäure und von der Struktur her vielen Pflanzenschutzmitteln (phosphororganischen Insektiziden z. B. Methamidophos) ähnlich. Tabun ist eine farblose bis bräunliche Flüssigkeit mit fruchtigem, bei Erhitzen bittermandelartigem Geruch. Bei seinem Einsatz kann Blausäure entstehen.
40 km nördlich von Breslau, in Dyhernfurth, begannen 1940 die deutsche Wehrmacht und die SS mit dem Bau einer Chemiewaffenanlage, vor allem zur Herstellung von Tabun. Dort wurden etwa 12.000 Tonnen[7] Tabun erzeugt und verarbeitet. Otto Ambros, der Vorstandsvorsitzende der Anorgana GmbH, einer IG-Farben-Gesellschaft, war einer der Hauptverantwortlichen für das Werk.
Nach Kriegsende wurden Wehrmachtsbestände an mit Tabun bestückten Bomben und Granaten in der Ostsee versenkt. Das aus den korrodierten Behältern austretende Gift gefährdet inzwischen den dortigen Fischbestand.
Erst 2008 wurde bekannt, dass 1949 etwa 2,5 Seemeilen (ca. 4,6 km) südlich von Helgoland Granaten mit bis zu zehn Tonnen Tabun versenkt wurden. Insgesamt handelt es sich um rund 90 Tonnen Giftgasgranaten (ca. 6.000 einzelne Granaten), die dort auf dem Grund der Nordsee lagern.[8][9]
1955/56 wurden größere deutsche Tabunbestände, die von den britischen Streitkräften nach dem Zweiten Weltkrieg in Wales zwischengelagert waren, von der Royal Navy und Royal Air Force in der Operation Sandcastle aus Sicherheitsgründen auf ausgedienten Handelsschiffen nordwestlich von Irland versenkt: am 27. Juli 1955 der Dampfer Empire Castle, am 30. Mai 1956 das Motorschiff Vogtland und am 21. Juli 1956 der Dampfer Kotka.
Tabun ist der älteste der drei sogenannten G-Kampfstoffe (Code: GA) neben Soman und Sarin. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen die USA und Großbritannien die Fertigung dieses Kampfstoffes. Die Sowjetunion hingegen zeigte kein großes Interesse an Tabun und konzentrierte sich mehr auf Soman. Tabun wurde außerdem von Saddam Hussein im Iran-Irak-Krieg und 1988 gegen die eigene Bevölkerung im kurdischen Nordirak beim Giftgasangriff auf Halabdscha eingesetzt.
Die Aufnahme von Tabun ist über die Haut und die Atmung möglich. Im Körper blockiert Tabun die Acetylcholinesterase, die im Nervensystem den Neurotransmitter Acetylcholin aufspaltet und somit essentiell für die Reizweiterleitung ist.
Es kommt, je nach Stärke der Vergiftung, zu folgenden Symptomen: Kopfschmerzen, Übelkeit mit Erbrechen und Durchfällen, Augenschmerzen, Müdigkeit, Krampfanfälle, Zittern, Zucken der Muskulatur, unkontrollierter Harn- und Stuhlabgang, Atemnot, Appetitlosigkeit, Angstzustände, Spannungen, Verwirrtheit, Bewusstlosigkeit. Der Tod tritt durch Atemlähmung ein.
Nervenkampfstoffe wirken bereits in kleinsten Mengen tödlich. Angriffsfläche ist der gesamte Körper. Deshalb bietet nur ein Ganzkörper-Schutzanzug und eine Schutzmaske mit Atemfilter ausreichenden Schutz. Vor einem Kampfstoffeinsatz können Oxim-Tabletten oder Carbamate wie Pyridostigmin oder Physostigmin eingenommen werden.[10][11] Bei einer Vergiftung spritzt man Atropin oder Hyoscyamin (Alkaloid der Tollkirsche), die den Acetylcholinrezeptor blockieren und so die Wirkung des Acetylcholins aufheben.[12] Im Verlauf der wochenlangen Nachbehandlung versucht man mit Obidoxim die AcChE zu regenerieren.
Für die Dekontamination können unter anderem Oxidationsmittel, wie z. B. Chlorkalk oder Calciumhypochlorit, alkalische Lösungen und nichtwässrige Medien, wie Aminoalkoholate, verwendet werden, da Nervenkampfstoffe empfindlich gegenüber Oxidationsmitteln sind und ihre Hydrolyse im basischen Milieu beschleunigt abläuft. Auf empfindlichen Oberflächen kann auch Natriumcarbonatlösung verwendet werden, die jedoch langsamer wirkt.