Stanley Kubrick ([ˈkuːbɹɪk]; * 26. Juli 1928 in New York City; † 7. März 1999 im Childwickbury Manor bei London) war ein US-amerikanischer Regisseur, Produzent und Drehbuchautor. Seine Filme werden vor allem für ihre tiefe intellektuelle Symbolik und ihre technische Perfektion gelobt. Kubrick versuchte das Medium selbst zu erforschen, indem er jedes Genre analytisch zerlegte, um seine Bestandteile zu etwas Neuem zusammenzusetzen. Der Regisseur war aber auch berüchtigt dafür, jede Szene bis ins kleinste Detail zu perfektionieren und die Schauspieler dabei bis an ihre psychischen und physischen Grenzen zu führen. Zwischen Ordnung und Chaos oszillieren alle Filme Kubricks und ergeben so eine filmische Conditio humana.
Die Hauptthemen seiner Filme sind die Unnahbarkeit der Realität und das Scheitern der Menschlichkeit, ausgedrückt durch das einfache Akzeptieren, das Ignorieren oder das Ringen der Protagonisten mit ihren dunklen, inneren Kräften – auch ihren Trieben. Authentizität, Kälte, Ehrlichkeit, Realität, Traum, Triebe – dies sind die wohl wichtigsten Schlagwörter im Zusammenhang mit Kubricks Werken. Filmschaffende und -kritiker zählen ihn zu den bedeutendsten Filmemachern aller Zeiten.
Stanley Kubrick wurde am 26. Juli 1928 in Bronx, New York, geboren und war das erste von zwei Kindern. Seine Eltern Jacques, ein Chirurg, und Gertrude, geborene Perveler, stammten aus jüdischen Familien, alle Großeltern waren aus dem österreichischen Galizien eingewandert.[1] 1934 kam Kubricks jüngere Schwester Barbara zur Welt.
Seine frühe Leidenschaft waren exzessive Lektüre, das Kino und das Schachspiel. Ab 1941 besuchte er die Taft High School, wo er Fotograf der Schülerzeitung war. Nach dem Schulabschluss begann er seine Karriere als Fotograf. Nachdem er zunächst Amateurfotos an das New Yorker Magazin Look verkauft hatte, bekam er mit 18 Jahren dort schließlich eine Festanstellung. Eine Fotogeschichte über einen Boxer, die er verfasste, führte ihn tiefer in die behandelte Materie ein.
Als Fotograf war er mit investigativer Berichterstattung vertraut; dementsprechend inszenierte er 1950 seinen ersten Dokumentarfilm Day of the Fight, eine, obwohl nur 16 Minuten lange, damals aufsehenerregende Studie über individuelle Leistungen im Boxring. Motiviert durch den Erfolg und die Anerkennung, die ihm durch das Erstwerk zugekommen waren, drehte er anschließend den Dokumentarfilm Flying Padre und den Gewerkschafts-Werbefilm The Seafarers.
Seine ersten, überwiegend mit geliehenem Geld finanzierten Spielfilme Fear and Desire (1953), ein allegorisches, zeitlich und geographisch unbestimmtes Kriegsdrama, und Der Tiger von New York (Killer’s Kiss) (1955), den er an United Artist verkaufte, zogen hingegen bereits die Aufmerksamkeit Hollywoods auf sich. Der Tiger von New York ist Kubricks letzter Film mit Happyend. Filmkennern wurde er mit dem klassischen Film noir Die Rechnung ging nicht auf (The Killing) ein Begriff, bevor ihm mit Wege zum Ruhm (mit Kirk Douglas in der Hauptrolle), der endgültige Durchbruch gelang. Der während des Ersten Weltkriegs spielende Film Wege zum Ruhm (Originaltitel: Paths of Glory), thematisiert die Grausamkeit und die Sinnlosigkeit des Krieges nur am Rande. Er ist durchaus ein antimilitaristischer Film, vor allem aber eine bitterböse Parabel auf Herrschaftsstrukturen und ein Bekenntnis gegen die Todesstrafe.[2]
In diesen Filmen finden sich bereits fast alle wesentlichen Stilelemente Kubricks: die zwischen Distanz und Involviertsein wechselnde Kamera, die sich für Handlungsabläufe mehr zu interessieren scheint als für die Motive der Handelnden; die Reduktion der Charaktere auf Spielfiguren auf einem symbolischen Schachbrett; die emotionale und moralische Gleichmütigkeit der Erzählung. Der passionierte Schachspieler Kubrick plante nach eigenen Angaben viele Filme und die handelnden Figuren analog zu den Konflikten und Bewegungen auf einem Schachbrett.
Kirk Douglas, Hauptdarsteller und ausführender Produzent des Monumentalfilms Spartacus, engagierte Kubrick als Regisseur, nachdem der ursprüngliche Regisseur Anthony Mann nach wenigen Drehtagen gefeuert worden war. Der Film wurde zu einem Kassenerfolg, der Kubrick die finanziellen Mittel für seine folgenden Filme lieferte. Er selbst war jedoch aufgrund seines geringen Einflusses auf Drehbuch und Produktionsbedingungen sehr unzufrieden, weswegen er Spartacus als ein „notwendiges Übel“ bezeichnete. Kubrick nahm sich vor, nie wieder einen Film zu drehen, bei dem er nicht von der Drehbucherstellung bis zum Schnitt volle Kontrolle über die Produktion haben würde. Er verließ das System von Hollywood und blieb dort bis zum Ende seines Lebens ein öffentlichkeitsscheuer Außenseiter.
In den Jahren 1948 bis 1951 war Kubrick mit seiner Jugendliebe Toba Metz verheiratet und anschließend von 1954 bis 1957 mit der österreichischen Balletttänzerin Ruth Sobotka. Bei den Dreharbeiten zu Wege zum Ruhm lernte er Christiane Harlan kennen, die er 1957[3] heiratete. Zusammen mit ihr, den beiden gemeinsamen Töchtern Anya (1959–2009) und Vivian (* 1960) sowie seiner Stieftochter Katharina (* 1953) zog er in den frühen 1960ern nach England. Dort ließ er sich zunächst in der Nähe der Elstree-Studios bei London nieder; später kaufte er das Anwesen Childwickbury Manor im District St. Albans, wo er in den ehemaligen Stallungen Studio- und Schnitträume einrichtete. Für die Presse und in Hollywood galt er als jemand, der extrem zurückgezogen lebte; Bekannte erzählten allerdings, dass er den größten Teil seiner Zeit in der Umgebung von Familie, Freunden und Bekannten verbrachte.
Sein erster in England gedrehter Film war Lolita (1962). Kubrick arbeitete eng mit dem Autor des Romans, Vladimir Nabokov, zusammen. Das mehrere hundert Seiten umfassende Drehbuch, das Nabokov selbst schrieb, veränderte Kubrick entscheidend, so dass die als Skandalbuch rezipierte Handlung verfilmt werden konnte, ohne dass der Film weltweit auf dem Index landete. Bei den Arbeiten zu Lolita entdeckte der Regisseur den Schauspieler Peter Sellers. Sellers verkleidet sich in seiner Rolle als Quilty in „Lolita“ bereits als Schulpsychologe Dr. Zemph, um Humbert zu täuschen.
Kubrick fragte an, ob Sellers in seinem nächsten Film Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben gleich vier Rollen übernehmen könne. Dieser sagte zu, spielte anschließend jedoch „nur“ drei Figuren in dem Film. Die vierte, den Flieger des Bombers, übernahm Slim Pickens. Sellers wollte sie nicht spielen und brach sich bei einem Versuch prompt ein Bein. Das große Risiko bei Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben, die Konfrontation zu Zeiten des Kalten Kriegs als schwarze und absurde Komödie aufzuführen und das Endspiel von Comic-Figuren ausführen zu lassen, zahlte sich aus. Der Film kann auch als intelligente Antwort auf die James-Bond-Filme gesehen werden. Ebenso berühmt wurden seine nächsten beiden Filme, 2001: Odyssee im Weltraum (1968) und Uhrwerk Orange (1971). Alle drei Filme provozierten durch eine ironische Theatralisierung bei ihrem Erscheinen heftige öffentliche Kontroversen und werden in der Filmwissenschaft immer noch diskutiert, sowohl in Bezug auf Themen und Handlung als auch der in ihnen enthaltenen Symbolik.
Der Film Barry Lyndon (1975), nach dem Roman von William Makepeace Thackeray (1844), hingegen war ein kommerzieller Misserfolg. Die Schönheit barocker Malerei und Musik filmisch erlebbar zu machen und das Leben jener Zeit anhand der fiktiven Biographie Barry Lyndons authentisch wiederzugeben, durch natürliches Kerzenlicht in allen Innenaufnahmen, brachte keinen Erfolg an den Kinokassen. Der Film beeinflusste aber Regisseure, die sich diesem Thema später widmeten.
Nach Barry Lyndon nahm Kubricks Produktionstempo ab. In den letzten 25 Jahren seines Lebens produzierte er nur noch drei weitere Filme. Allerdings waren sein Ruhm und das ihn umgebende „Mysterium“ derart groß, dass jede Veröffentlichung weltweit mit großen Erwartungen aufgenommen wurde. Wichtiger für Kubrick und wohl einmalig in der Geschichte Hollywoods war, dass er bei jedem Film weitgehend freie Hand und ein beinahe unbeschränktes Zeitbudget von den großen Studios bekam.
Mit Jack Nicholson drehte Kubrick den Film Shining (1980), eine Adaption des Buches von Stephen King. Insbesondere King-Fans waren unzufrieden mit dem Film, obgleich Kubrick buchstäblich Fluten von Blut entfesselte, da er sich die Handlung des Buches betreffend große Freiheiten herausnahm. Im Zentrum des Films steht der Entwurf eines luxuriösen Raumes der Moderne. In dem Film wird Geschichte zur ewigen Wiederkehr des Gleichen: der Gewalt, der keine Ordnung widerstehen kann. King selbst bezeichnete Kubricks Shining als schlechteste Verfilmung eines seiner Bücher. Obwohl nicht so enthusiastisch von der zeitgenössischen Kritik rezipiert wie frühere Werke, gilt Shining mittlerweile als Klassiker des Mystery-Thrillers.
Der im Vietnamkrieg spielende Film Full Metal Jacket (1987) war Kubricks einziger Film, der aus seiner Sicht zu spät kam. Trotz strengster Geheimhaltung wurde kurz vor Fertigstellung des Films das Thema in der Öffentlichkeit bekannt. Daraufhin stellte Oliver Stone seinen Film Platoon schneller als geplant fertig und brachte ihn wenige Wochen vor Full Metal Jacket in die Kinos. In Deutschland war die Kinopremiere von Full Metal Jacket ein halbes Jahr nach der von Platoon.
Nachdem Kubrick Full Metal Jacket fertiggestellt hatte, arbeitete er unter dem Arbeitstitel Aryan Papers an einer Verfilmung des Romans Lügen in Zeiten des Krieges von Louis Begley und der Science-Fiction-Geschichte A.I. Als Steven Spielberg 1993 Schindlers Liste veröffentlichte, verwarf Kubrick sein Projekt Aryan Papers, um nicht in eine ähnliche Situation zu kommen, wie sie sich bei Full Metal Jacket ergeben hatte. Er ging davon aus, dass das Publikum auf absehbare Zeit vermutlich keinen weiteren Film zum Thema Holocaust würde sehen wollen.[4] Kubrick arbeitete zunächst weiter an A.I. und begann parallel dazu mit den Arbeiten für eine Verfilmung der Traumnovelle von Arthur Schnitzler, die er schon seit Ende der 1960er Jahre geplant hatte. Da er schließlich befürchtete, dass die Geschichte eines Roboters, der ein echter Mensch werden möchte, in seinen Händen zu philosophisch werden könnte, übertrug er das Projekt Steven Spielberg und widmete von da an seine volle Aufmerksamkeit der Bearbeitung der Traumnovelle.[5] Nach zwei Jahren Drehzeit legte Kubrick am 5. März 1999 die fertig geschnittene Fassung der Verfilmung unter dem Titel Eyes Wide Shut (1999) vor. In dieser Zeit gab sich ein Hochstapler namens Alan Conway als Kubrick aus, während der echte Kubrick mit den Dreharbeiten beschäftigt war. Diese Geschichte wurde 2006 unter dem Titel Colour Me Kubrick mit John Malkovich verfilmt.
Am 7. März 1999 verstarb Stanley Kubrick in seinem Haus an den Folgen eines Herzinfarkts.
Kubrick war dafür berühmt und berüchtigt, jede Szene so oft wiederholen zu lassen, bis sie in seinen Augen perfekt war. Als berühmtes Beispiel gilt eine Szene aus seinem Film Shining, in der Shelley Duvall einen Stapel von über dreihundert Blatt Papier findet, auf denen immer wieder derselbe Satz steht: All work and no play makes Jack a dull boy. Kubrick weigerte sich, für die einzelnen Seiten Kopien zu verwenden, selbst bei Seiten, die man unmöglich genau sehen konnte. Mehrere Schreiber waren damit beschäftigt, jede Seite im Original zu tippen. Im Making-of zum Film Shining wird die Härte gegenüber der jungen Shelley Duvall sichtbar, die Kubrick gezielt einsetzt, damit sie sich besser in ihre Rolle hineinversetzen kann.
Sein Drang zum Perfektionismus wird Kubrick neben seiner Stärke teilweise auch als Schwäche zugeschrieben. So sagte seine Frau über ihn, dass er zwar hervorragende Arbeit ablieferte, jedoch oft sehr langsam arbeitete.[6] Neben einigen nicht realisierten Projekten kam Kubrick dadurch wirtschaftlich mit Full Metal Jacket in Bedrängnis, welcher erst nach Platoon veröffentlicht werden konnte.
R: als Regisseur, D: als Drehbuchautor, P: als Produzent
Platz | Film |
---|---|
51 | Dr. Seltsam, oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben |
57 | Wege zum Ruhm |
59 | Shining |
79 | Uhrwerk Orange |
87 | Full Metal Jacket |
89 | 2001: Odyssee im Weltraum |
230 | Barry Lyndon |