Der bedeutende Soziologe, Sozialpsychologe und Volkswirt Vilfredo Pareto hat eine besondere Lehre der sozialen Residuen als "präreflexiver Deutungsmuster" (so Maurizio Bach) entwickelt. Für den sehr stark naturwissenschaftlich-induktiv denkenden Pareto war ein Residuum eine "analytisch nicht weiter auflösbare Gefühlsstruktur" (Gottfried Eisermann), eine wirkende Restgröße, die keinen "Instinkt", "Trieb" noch gar einen "Grundsatz" darstellt, nichtsdestoweniger aber den Menschen unausweichlich lenkt. Dies wird freilich selten genug eingestanden, sondern der Mensch findet immer wieder beschönigende Erklärungen ("Derivationen"), mit denen er seine Handlungen erläutert. Die Psychologie spricht hier auch von "Rationalisierung".
Handlungen gehen nach Pareto auf nur sechs verschiedene "Klassen" von "Residuen" zurück:
Da Pareto den Unterschied zwischen sozialer "Revolution" und "Evolution" mit Hilfe der beiden Residuen der I. und II. Klasse erklärt, sind diese zwei die bekanntesten geworden. Bildlich gesprochen bezeichnet der "Instinkt der Kombinationen" die (von Pareto – Machiavelli folgend – so genannten) "Füchse", die "Persistenz der Aggregate" die "Löwen". Unausweichlich lösen in der politischen Herrschaft nach ihm die "Füchse" die "Löwen" evolutionär ab, hingegen die "Löwen" die "Füchse" revolutionär.
Beide Residuen unterscheiden bei ihm in der Wirtschaft entsprechend die "Spekulanten" von den "Rentiers", und mit diesen Kategorien lassen sich langfristige Entwicklungen des Kapitalmarktes untersuchen.
Vilfredo Pareto, Trattato di sociologia generale (dt. System der Allgemeinen Soziologie), Florenz 1916, §§ 845 ff.