Ein Messbuch, auch lateinisch Missale (Plural Missalia, Missalien, Missalen) oder Missal (Plural Missale) ist ein liturgisches Buch der lateinischen Kirche und beschreibt den Ordo missae für die Feier der Eucharistie an Sonn-, Fest- und Werktagen.
Das Missale enthält vor allem die Messordnung (lateinisch ordo missae), die Gebete, die vom Priester gesungen oder gesprochen werden: Hochgebete mit Präfationen, Tagesgebet, Gabengebet, Schlussgebet, Gebet über das Volk, sowie die gleich bleibenden Texte des Ordinarium Missae: Kyrie eleison, Gloria, Credo, Sanctus, Vater unser, Agnus Dei. Die jeweiligen liturgischen Handlungen werden in den in roter Schrift stehenden Rubriken (von lateinisch ruber ‚rot‘) beschrieben. Die zugehörigen biblischen Schriftlesungen erscheinen im Messbuch selbst und/oder in eigenen liturgischen Büchern, den Lektionaren.
Einzelne Diözesan- und Ordensriten haben eigene Messbücher (z. B. Missale Aboense, Missale Parisiense, Missale secundum ritum ecclesie Bremense). Im Besitz der Christian-Weise-Bibliothek Zittau befinden sich die Zittauer Missalien. Diese Missalia sind aber von Ortstraditionen überformte römische Messbücher; davon zu unterscheiden sind die – von Rom unabhängig – entstandenen Eigenriten von Mailand und Toledo, die freilich im Verlauf der Geschichte auch vom römischen Messbuch beeinflusst worden sind.
In den evangelischen Kirchen heißt das Buch des Liturgen für die Feier des Gottesdienstes „Agende“. In den byzantinisch-orthodoxen Kirchen werden die entsprechenden Bücher als Euchologion, Hieratikon oder Leitourgikon bezeichnet.
Das Messbuch für den römischen Ritus ist das Missale Romanum in lateinischer und in slawischer Sprache (Erstdruck 1483) sowie in weiteren Sprachen, heute in zahlreichen landessprachlichen Ausgaben gebräuchlich.
Das Missale Romanum wurde erstmals 1474 in Mailand unter dem Titel Missale secundum consuetudinem Romanae Curiae gedruckt (damals noch ohne Rubricae generales und Ritus servandus). Diese Fassung geht auf das Missale curiae zurück, das heißt auf das um 1220 zusammengestellte Messbuch der päpstlichen Palastkapelle. Die rubrizistischen Vorschriften beruhen ab 1501 auf dem Ordo servandus per sacerdotem in celebratione Missae sine cantu et ministris des Johannes Burckard von 1498 bzw. 1502, also ursprünglich auf einem Ordo missae für Privatmessen. Zur Geschichte des Missale Romanum vom Konzil von Trient bis 1969/70 siehe Geschichte der tridentinischen Messe.
Seit der vom Zweiten Vatikanischen Konzil beschlossenen Liturgiereform ist dem erneuerten Missale Romanum (Erstausgabe 1970; vgl. Missale Romanum (Apostolische Konstitution)) die für Feier und Verständnis der Messfeier wichtige Institutio Generalis Missalis Romani (IGMR[1]) vorangestellt (3. Ausgabe 2002). Ihre deutsche Fassung heißt Allgemeine Einführung in das Römische Messbuch (AEM[2]), künftig Grundordnung des Römischen Messbuches (GORM)[3]. Außerdem findet man darin die Normae universales de anno liturgico et de calendario, verdeutscht unter dem Titel Grundordnung des Kirchenjahres und des römischen Generalkalenders.
Die deutschsprachige Ausgabe (1975) des erneuerten Missale Romanum führt den Titel Die Feier der heiligen Messe und besteht (wie sein lateinisches Vorbild) aus zwei Teilen:
Eine dritte Editio typica des erneuerten lateinischen Missale Romanum erschien 2002 unter Papst Johannes Paul II. Einer gemäß der Übersetzerinstruktion Liturgiam authenticam des Heiligen Stuhls von 2001 engstens an den lateinischen Wortlaut angelehnten Revision des deutschsprachigen Messbuchs verweigerten die zuständigen Bischofskonferenzen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz im Sommer 2013 die Approbation. Dies folgte aus dem Umstand, dass der ebenfalls auf der Grundlage von Liturgiam authenticam erstellte Ritualefaszikel Die kirchliche Begräbnisfeier in den Bistümern des deutschen Sprachgebietes. Zweite authentische Ausgabe (2009) nach Scheitern in der gottesdienstlichen Realität durch ein um den Untertitel Manuale erweitertes Buch gleichen Titels ersetzt werden musste, das 2012 im Auftrag allein der genannten Bischofskonferenzen publiziert wurde.
Im Rahmen der liturgischen Bewegung im deutschen Sprachraum ab dem Ende des 19. Jahrhunderts erschienen zweisprachige „Volksmessbücher“, die den Laien eine bewusstere Mitfeier der heiligen Messe und des Kirchenjahres ermöglichen sollten. Am verbreitetsten waren der „Schott“, erstmals 1884 von dem Benediktiner P. Anselm Schott herausgegeben unter dem Titel „Das Meßbuch der heiligen Kirche“ und dann in zahlreichen Auflagen als „Das vollständige Römische Meßbuch, lateinisch und deutsch, mit allgemeinen und besonderen Einführungen im Anschluß an das Meßbuch von Anselm Schott O.S.B. herausgegeben von Mönchen der Erzabtei Beuron“ als Volltext oder in Teilausgaben, ferner Lateinisch-Deutsches Volksmeßbuch – das vollständige römische Messbuch für alle Tage des Jahres, mit Erklärungen und einem Choralanhang von P. Urbanus Bomm, erschienen zwischen 1927 und 1972.
Papst Benedikt XVI. veröffentlichte am 7. Juli 2007 das Motu proprio Summorum Pontificum, in dem er unter anderem die Messfeier nach dem Missale Romanum von 1962 (ohne die Neufassung der Messordnung von 1965) als Sonderform (lateinisch: forma extraordinaria) der Messfeier im römischen Ritus in gewissen Grenzen zulässt; es trat am 14. September 2007, dem Fest Kreuzerhöhung, in Kraft und ersetzt die unter Papst Johannes Paul II. getroffenen Regelungen von „Quattuor abhinc annos“ und „Ecclesia Dei“, die zuvor die Zelebration nach dem Missale Romanum von 1962 regelten.
In einem Begleitbrief stellte Benedikt XVI. klar, „dass selbstverständlich das von Papst Paul VI. veröffentlichte und dann in zwei weiteren Auflagen von Johannes Paul II. erneut herausgegebene Missale die ordentliche Form – die forma ordinaria – der Liturgie der heiligen Eucharistie ist und bleibt.“ Die letzte dem Konzil vorausgehende Fassung des Missale Romanum, die unter der Autorität von Papst Johannes XXIII. 1962 promulgiert wurde (1962er Ritus), könne demgegenüber als forma extraordinaria („Sonderform“) der liturgischen Feier Verwendung finden. Weiterhin stellte er fest, dass es nicht angebracht sei, von diesen Fassungen des Römischen Messbuches als von „zwei Riten“ zu sprechen. Es handle sich vielmehr um einen zweifachen Usus („Brauch, Gewohnheit“) ein und desselben Ritus.
Für die Anglikaner in voller Gemeinschaft mit der Kirche Roms wurde nach einigen Provisorien 2015 ein eigenes Missale in mutterkirchlicher Tradition (Book of Common Prayer) publiziert: „Divine Worship: The Missal“. Sein Gebrauch ist im „Anglican Use“ (alias: „Ordinariate Use“) seit 2016 obligatorisch.
Die Kirchen von Toledo und Mailand können zwar auch dem römischen Ritus folgen und das Missale Romanum (in der lateinischen Ursprungs- und in der angepassten landessprachlichen Version) benutzen; sie besitzen daneben einen auf Spätantike und Frühmittelalter zurückgehenden Eigenritus. Die Kirche von Toledo pflegt den mozarabischen, die von Mailand den ambrosianischen Ritus, auch altspanische bzw. Mailänder Liturgie genannt. Beide wurden im Laufe der Entwicklung, freilich in unterschiedlicher Stärke, vom Missale Romanum nachhaltig beeinflusst, im Gefolge des Zweiten Vatikanischen Konzils jedoch in einer eigenen Liturgiereform gründlich erneuert.
Abbildung | Bezeichnung | Entstehungszeit | Entstehungsort | Anmerkungen |
Stowe Missal | um 750 | Irland | einziges erhaltenes keltisches Missale | |
Missale Scarense | um 1150/1160 | England oder Nordwestfrankreich | älteste in Schweden erhaltene Handschrift | |
Stammheimer Missale | um 1170/1180 | wahrscheinlich Hildesheim | ||
Missale von Fürst Novak | 1368 | kirchenslawisch in glagolitischer Schrift | ||
Missale glagoliticum Hervoiae ducis Spalatensis | 1404 | Split | kirchenslawisch in glagolitischer Schrift | |
Böhmisches Missale | 1410 | Prag? | ||
Lausitzer Missale | 1435 | Zittau? | ||
Missale des Priesters Mavra | 1460 | Vrbnik, Dalmatien | kirchenslawisch in glagolitischer Schrift | |
Missale secundum consuetudinem Romane Curie | 1474 | Mailand | Missale für den römischen Ritus, Buchdruck | |
Missale speciale (früher Constantiense) | nach 1473 | Basel | ||
Missale Parisiense | 1481 | Paris | für die Erzdiözese Paris, weitere Drucke 1487, 1504, 1539, 1555, 1585, 1602 | |
Missale Romanum Glagolitice | 1483 | Venedig? oder Kosinj? | kirchenslawisch in glagolitischer Schrift | |
Missale Slesvicense | 1486 | Schleswig | für Dänemark | |
Missale Aboense | 1488 | Lübeck | für Finnland | |
Lausitzer Missale | 1500 | Zittau? | ||
Missale secundum ritum ecclesie Bremense | 1511 | Bremen | für Erzdiözese Bremen |