Medinawurm | ||||||||||||
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Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Dracunculus medinensis | ||||||||||||
Linnaeus, 1758 |
Der Medinawurm (Dracunculus medinensis) oder Guineawurm ist ein parasitisch vorkommender Fadenwurm und der Erreger der Dracontiasis. Er kommt bei Menschen und Säugetieren vor, neben dem infizierten Menschen wird allerdings nur dem Hund eine begrenzte epidemiologische Bedeutung beigemessen (Dönges 1988).[1] Der Name Medinawurm ist abgeleitet von der Stadt Medina in Saudi-Arabien.[2]
Der Medinawurm war früher in den Feuchtgebieten Afrikas und von Ägypten über Pakistan bis Indien verbreitet. 1986 gab es 3,5 Millionen Infizierte. Durch Bekämpfungsmaßnahmen, insbesondere einer Präventionskampagne des Carter Centers in Atlanta, Georgia, wurde die Anzahl der Neuinfektionen auf 25.217 Infizierte im Jahr 2006 reduziert und die Verbreitung auf wenige Gebiete Afrikas beschränkt, hauptsächlich Sudan und Ghana.[3]
Ende 2009 hat die WHO noch in Äthiopien, Ghana, Mali und Sudan neue Infektionen festgestellt. Im Sudan kamen die Infektionen ausschließlich im Süden vor, im heutigen Südsudan. Der Sudan in seinen jetzigen Grenzen wurde daher 2011 für Medinawurm-frei erklärt,[4] ebenso wie Ghana.[5] Seit 2011 ist der Parasit hauptsächlich auf den Südsudan zurückgedrängt, über einzelne Vorkommen (wenige Prozent aller Fälle) wird aus Äthiopien, Mali und Tschad berichtet. Vereinzelt werden Würmer im menschlichen Körper in andere Länder der Region getragen.
Während 2011 noch 1060 Infektionen durch den Wurm gemeldet wurden, liegt die Zahl seit 2013 jährlich unter 150.[6][7][8][9] Im Jahr 2015 ging die Infizierung auf 25 Fälle zurück, jedoch begann der Wurm nun Hunde im großen Ausmaß zu befallen.[10] Die tatsächliche Zahl der lebenden Würmer, insbesondere im Larvenstadium, ist deutlich höher, da meist nur die ausgewachsenen und befruchteten Weibchen am Ende ihres etwa einjährigen Lebens im Menschen als Infektion erfasst werden.
Es herrscht ein starker Geschlechtsdimorphismus vor. Das Weibchen wird bei ca. 1 Millimeter Dicke etwa 50 bis 100 Zentimeter lang, das Männchen nur 3 bis 4 Zentimeter.[2]
Als für die Entwicklung notwendige Zwischenwirte wirken Ruderfußkrebse, meist der Gattung Cyclops (Hüpferlinge). Der Mensch nimmt die von Wurmlarven befallenen winzigen Krebse mit dem Trinkwasser auf.
Die Larven werden im Magen freigesetzt, von dort aus gelangen sie in den Dünndarm und durchdringen die Schleimhaut. Im Retroperitonealraum vollenden sie ihre Entwicklung und paaren sich. Das Männchen stirbt anschließend und wird eingekapselt. Das befruchtete Weibchen wächst weiter, kann bis über einen Meter lang werden und wandert durch das Gewebe zu den Extremitäten, meist zu den Unterschenkeln oder Füßen. Dort siedelt es sich im Bindegewebe der Unterhaut an. Dies verursacht beim befallenen Menschen in der Regel extreme Schmerzen. Nicht selten kommt es ohne Behandlung durch Sekundärinfektionen zu tödlichen Komplikationen.
Das Kopfende des Wurms verursacht durch Abscheidungen ein taubeneigroßes Geschwür. Kommt dieses mit Wasser in Berührung, platzt die dünne Haut im Zentrum auf. Gleichzeitig reißt die Haut des dicht darunterliegenden Wurms und dessen Uterus, der Tausende von Larven ins Wasser entlässt. Anschließend zieht sich der Uterus wieder ins Geschwür zurück und bei erneuter Wasserbenetzung wiederholt sich der Vorgang. Nach zwei bis drei Wochen stirbt der weibliche Wurm.
Die Larven werden im Wasser von Krebsen gefressen und bohren sich durch deren Darmwand in die Leibeshöhle, um sich dort weiter zu entwickeln. Nach etwa zwei Wochen sind sie im dritten Larvenstadium und für den Menschen infektiös. Damit schließt sich der Vermehrungszyklus.
Als Parasit des Menschen ist der Medinawurm seit dem Altertum bekannt. Seit 1986 wurden die Verbreitungsgebiete stark eingeengt. Nach den Pocken und der Rinderpest könnte als dritte Krankheit die Dracontiasis vollständig ausgerottet werden.[11]
Die traditionelle Art der Entfernung des weiblichen Wurms geschah und geschieht in den Endemiegebieten auch heute noch mit einem Holzstäbchen. Damit wickelt man das Vorderende, das aus dem Geschwür herausbricht, jeden Tag ein Stück heraus, maximal 10 Zentimeter pro Tag, um ein Durchreißen des Wurms zu verhindern. Diese Art der Entfernung dauert einige Tage, manchmal aber auch viele Wochen. Misslingt diese klassische Entfernungsmethode, weil der Wurm durchreißt, so muss der in der Wunde verbliebene Teil des Endoparasiten operativ entfernt werden, um eventuelle Nachfolgeinfektionen zu verhindern.
Die Kleinkrebse, die Medinawürmer in sich tragen, gelangen mit unaufbereitetem Trinkwasser in den Menschen.[1] Um die Krebse aus dem Trinkwasser zu entfernen, kann z. B. ein fein gewebtes Stück Nylon als Filter benutzt werden. Seit 1986 verteilen Hilfsorganisationen wie das Carter Center solche Filtertücher in den Dörfern.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, das Wasser abzukochen oder die wurmtragenden Krebse mit Insektiziden abzutöten.[12] Wasser kann mit einem zugelassenen Larvizid wie zum Beispiel Abate, das Ruderfußkrebse tötet, behandelt werden, ohne Menschen oder Tiere einem hohen Risiko auszusetzen.[13]
Karl May beschrieb in seinem Roman Die Sklavenkarawane einen Krankheitsfall, bei dem ein „Abaka-Neger“ das Medinawurm-Geschwür im Gesicht hatte. Auch die Entfernung mit einem Hölzchen wurde dort beschrieben.
Eine Hypothese deutet das klassische medizinische Symbol des Äskulapstabes als einen auf einen Holzstab aufgewickelten Medinawurm[1][14][15], was jedoch der Verehrung der Schlange widerspricht.[16]