Die Main-Neckar-Eisenbahn (MNE) war eine gemeinsame Staatsbahn, an der die Freie Stadt Frankfurt sowie die Großherzogtümer Hessen und Baden beteiligt waren. Ihren Namen trägt noch heute eine Hauptbahn westlich des Odenwaldes in der Oberrheinischen Tiefebene, die von Frankfurt am Main über Darmstadt, Bensheim und Weinheim nach Heidelberg führt. Die Strecke wird vom Schienenpersonenfernverkehr sowie vom Schienenpersonennahverkehr des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV) und des Verkehrsverbundes Rhein-Neckar (VRN) bedient.
Die Pläne zu dieser Kondominalbahn reichen bis zum 31. Januar 1836 zurück. Damals fand in Darmstadt die Gründungsversammlung für eine Gesellschaft statt, die den Bau einer Eisenbahn von Frankfurt über Darmstadt nach Heidelberg mit einer Zweigstrecke nach Mainz anstrebte. Bis 1838 lagen die Genehmigungen der drei Staaten vor, deren Gebiete die Strecke verband und im Sommer 1838 wurde mit dem bauvorbereitenden Vermessen und Abstecken der Strecke begonnen. Ebenfalls 1838 wurde ein erster Staatsvertrag über den Bau der Eisenbahn zwischen den drei Staaten geschlossen. Die Hessische Eisenbahn-Gesellschaft konnte jedoch das erforderliche Kapital nicht aufbringen und löste sich daraufhin 1839 auf.[5]
Die zweite Initiative ging von staatlicher Seite seit 1841/42 aus, da die Regierungen erkannten, dass sie gegenüber Nachbarstaaten ins Hintertreffen gerieten, wenn sie nicht für eine zeitgemäße Infrastruktur sorgten.[5] So wurde am 25. März 1843[6] ein zweiter Staatsvertrag geschlossen, der festlegte, die Main-Neckar-Eisenbahn auf Staatskosten zu bauen und – als Kompromiss zwischen den Interessen Mannheims und Heidelbergs – im mittig gelegenen Friedrichsfeld an die Strecke Mannheim – Heidelberg der Großherzoglich Badischen Staatseisenbahnen anzuschließen. Die finanzielle Beteiligung an dem Projekt entsprach den jeweiligen Kosten der Streckenabschnitten in den einzelnen Staaten. In der Direktion der Main-Neckar-Eisenbahn in Darmstadt waren alle drei Regierungen vertreten.
Bereits 1820 beschrieb Ludwig Börne in seinem satirischen Bericht Monographie der deutschen Postschnecke[7] die Langsamkeit einer Reise in der Postkutsche zwischen Frankfurt und Stuttgart. Allein für die erste Etappe zwischen Frankfurt und Darmstadt benötigten die Reisenden 12 Stunden – was auch ein Fußgänger zu leisten in der Lage war. Die mit einer Eisenbahn zu erreichende Reisezeitverkürzung war vor diesem Hintergrund betrachtet drastisch.
Da die Badische Hauptbahn zwischen Mannheim und Heidelberg in Breitspur von 1600 mm erbaut wurde, wünschte Baden auch für die Main-Neckar-Eisenbahn Breitspur, konnte das aber nicht durchsetzen.[8] Vielmehr wurde eines der beiden bestehenden Breitspurgleise zwischen Heidelberg und Mannheim auf Normalspur (1435 mm) umgebaut und die Main-Neckar-Bahn dort angeschlossen.[9] Dieses Gleis gehörte der badischen Bahn, wurde allerdings durch die Main-Neckar-Bahn betrieben.[10]
Der Bau der Strecke begann Juni 1843 im Frankfurter Abschnitt.[11] Dort oblag die Bauleitung dem städtischen Oberingenieur Remigius Eyssen. Schwierig erwies sich an einigen Stellen der Geländeerwerb. Dagegen war das Gelände, über das die Strecke führte, relativ flach. So waren nur 12 Brücken erforderlich, die größten überbrückten den Main und den Neckar und bei Eberstadt musste ein großes Viadukt errichtet werden. Schwierig war auch der Moorboden zwischen Bensheim und Heppenheim, wo der Bahndamm unter dem eigenen Gewicht einsank und mehrfach wieder erhöht werden musste.
Die Trasse wurde gleich anfangs für zwei Gleise hergerichtet, obwohl zunächst nur das westliche verlegt wurde. Die Zweigleisigkeit wurde ab 1860 hergestellt. Etwa alle 1,5 Kilometer wurden Bahnwärterhäuschen errichtet. Wo diese weiter als 15 Gehminuten vom nächsten Ort entfernt lagen, sahen sie auch eine Dienstwohnung vor. Signaleinrichtungen gab es anfangs nicht. Diese wurden später nachgerüstet.
Am 16. April 1846 fand die erste Probefahrt von Darmstadt nach Langen statt.[12] Eröffnet wurde die Bahn für den Personenverkehr in mehreren Streckenabschnitten, ab dem 9. August 1847 dann auch für den Güterverkehr auf der Gesamtstreckenlänge:
Bis die ursprüngliche Main-Neckar-Brücke (ab 1891 „Wilhelmsbrücke“, an der Stelle der heutigen Friedensbrücke) in Frankfurt fertiggestellt war und ab dem 15. November 1848 befahren werden konnte, wendeten die Züge im Betriebsbahnhof Mainspitze, einer Spitzkehre, und fuhren zum alten Bahnhof Sachsenhausen weiter. Nach Fertigstellung der Main-Querung endete die Strecke im Main-Neckar-Bahnhof.
Die Brücke über den Neckar bei Ladenburg wurde nicht rechtzeitig fertig, so dass die Züge zunächst über ein hölzernes Provisorium rollten, das erst 1848 durch eine Steinbogenbrücke ersetzt wurde.[17]
Die Strecke begann in Frankfurt im Main-Neckar-Bahnhof, einem der drei Frankfurter Westbahnhöfe. Er lag am (heutigen) Willy-Brandt-Platz im Winkel zwischen Münchener Straße und Gallusanlage, südlich des Bahnhofs der Taunus-Eisenbahn. Das größte Empfangsgebäude erhielt Darmstadt mit seinem Main-Neckar-Bahnhof, einem kostspieligen Hochbau. Hier waren auch die Verwaltung der Bahn und die zentralen Werkstätten untergebracht. Der Darmstädter Bahnhof erhielt 1861 eine große Bahnsteighalle, wurde 1871 nach Westen erheblich erweitert und das Empfangsgebäude 1877 aufgestockt.
Der Bahnhof in Frankfurt war allerdings – wegen der hohen Grundstückspreise – sogar doppelt so teuer wie der Darmstädter. Der Main-Neckar-Bahnhof in Frankfurt musste wegen des steigenden Verkehrs zudem drei Mal erweitert und umgebaut werden, bevor er zugunsten des neuen Centralbahnhofs aufgegeben wurde (1888), ebenso wie die Bahnhöfe in Darmstadt (1910/12) und Heidelberg (eingeweiht im Mai 1848,[12] abgerissen 1960). Sie wurden für den sich sprunghaft entwickelnden Eisenbahnverkehr zu klein und waren unter diesen Umständen auch betriebliche Hindernisse. Die architektonische Qualität der Empfangsgebäude war hoch. Die in Bensheim und Heppenheim erhaltenen sollen von Georg Moller entworfen worden sein.
Am Anfang des Betriebs waren nur wenige Halte vorgesehen. Schon 1848 wurden zusätzliche Halte in Bickenbach und Arheilgen eingerichtet. 1850 erhielt Auerbach einen Halt. 1879 folgte Bessungen, 1885 Eberstadt, 1887 Wixhausen und 1888 Erzhausen.
Die Erstausstattung der Bahn bestand aus 18 Lokomotiven und 252 Wagen. Die zwölf von Hessen gekauften Lokomotiven wurden von der Lokomotivfabrik Sharp in Manchester (England) geliefert, die sechs von Baden und Frankfurt beschafften Loks kamen von Kesslers Maschinenfabrik in Karlsruhe. Alle Maschinen hatten die Achsfolge 1A1.
Der Fahrpreis betrug für die Gesamtstrecke anfangs in der 1. Klasse 1 Gulden und 6 Kreuzer, in der 2. Klasse 48 Kreuzer, in der 3. Klasse 33 Kreuzer und in der 4. Klasse 21 Kreuzer, die Fahrzeit 3,5 Stunden.
Am Anfang gab es täglich zwei Zugpaare, die die Gesamtstrecke befuhren, bereits im Herbst 1846 waren es drei, 1847 musste das Angebot auf fünf erhöht werden und 1889 waren es 20. In den ersten 15 Betriebsjahren steigerte sich die Zahl der beförderten Personen um 50 %. Ab dem 9. August 1847 wurde auch der Güterverkehr aufgenommen, zunächst noch in gemischten Zügen,[12] erst ab 1848 erfolge dies in getrennten Zügen. In den ersten 15 Betriebsjahren steigerte sich das Frachtaufkommen um das dreißigfache.
Mit Inbetriebnahme der (alten) Main-Neckar-Brücke über den Main in Frankfurt zum dortigen Main-Neckar-Bahnhof am 15. November 1848 war die Main-Neckar-Bahn nun insgesamt fertiggestellt und befahrbar.
Vom 18. Mai 1849 an musste aufgrund der Badischen Revolution der Verkehr südlich von Heppenheim eingestellt werden, ab dem 6./7. Juni 1849 wurde die Bahn ausschließlich für Militärtransporte genutzt, der zivile Verkehr ruhte insgesamt und konnte erst am 27. Juni 1849 wieder über die gesamte Strecke aufgenommen werden. Ebenso kam es infolge des Krieges von 1866 zeitweilig zur Betriebseinstellung.[18]
Die Main-Neckar-Eisenbahn brachte Arbeit und Brot für die Menschen an der Bergstraße und im westlichen Odenwald. Darmstadt, Mannheim und Frankfurt wurden erreichbar. Eine Arbeit bei der Bahn zu bekommen, war allerdings nicht so einfach, der Andrang war groß und die Bahn konnte auswählen. Nur Männer mit tadellosem Leumund und einwandfreier Gesundheit konnten nach gründlicher Prüfung und Hinterlegung einer beträchtlichen Kaution die begehrte Uniform des Eisenbahners anziehen. Wer beispielsweise seine Gesundheit beim Bau der Bahn ruiniert hatte, hatte keine Chance.
In den folgenden Jahren wurde die Strecke ständig ausgebaut, modernisiert und dem steigenden Verkehrsaufkommen und den sich verändernden Bedürfnissen der Fahrgäste angepasst.
Heute teilt sich die Main-Neckar-Bahn die Last des Nord-Süd-Verkehrs mit der Riedbahn, die weiter westlich in der Rheinebene von Frankfurt (Goldstein) – unter Umgehung von Darmstadt – über Groß-Gerau nach Mannheim und Worms führt. Im Abschnitt zwischen Darmstadt und Mannheim/Heidelberg ist die Main-Neckar-Bahn an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt: 250 Züge täglich passieren die Strecke in jeder Richtung. Zwischen Frankfurt und Darmstadt dient die dort drei- bis viergleisige Strecke auch der S-Bahn Rhein-Main. Entlastung soll die geplante Intercity-Express-Trasse Frankfurt Flughafen – Mannheim bringen, die einen Teil des Schnell- und Fernverkehrs übernehmen wird. Deren Bau ist momentan aber nicht abzusehen.
Die mehrmals erwähnte Main-Neckar-Eisenbahnbrücke über den Main in Frankfurt ist ein wichtiges Teilstück im Nord-Süd-Verkehr, insbesondere im Güterverkehr von den Nordseehäfen nach Süddeutschland und in die Schweiz. Zusammen mit den Bahnstrecken Frankfurt–Offenbach–Hanau und Frankfurt–Maintal–Hanau, die sie ebenfalls bedient, verkehren 600 Züge täglich über die Brücke.
Auf der Main-Neckar-Bahn bedienen einige ICE-Züge, vor allem aber IC- und EC-Züge die Hauptbahnhöfe von Frankfurt und Darmstadt, fast alle auch die Bahnhöfe von Bensheim, Weinheim und Heidelberg. Sie stellen in Richtung Süden Verbindungen nach Karlsruhe oder Stuttgart (teils weiter bis nach München, Graz, Klagenfurt oder Linz) her, in Richtung Norden nach Hannover (teilweise Hamburg) oder Dresden.
Die DB setzt zum Teil alte Wagen („Silberlinge“), häufig aber auch moderne Doppelstockwagen ein. Im Bereich der Region RheinNeckar ist auf den Zügen von und nach Bensheim fast ausschließlich der Triebwagen 425 zu finden.
Regionalbahnen (seitens des RMV als „Stadt-Express“ bezeichnet) verkehren zwischen Frankfurt und Heidelberg. Zwischen Frankfurt und Darmstadt halten sie nur in Langen, anschließend an allen Bahnhöfen und Haltepunkten. Zwischen 5:00 und 0:00 Uhr verkehren die Züge stündlich, in den Stoßzeiten teilweise halbstündlich. Sie treffen sich jeweils zur Knotenminute .00 in Bensheim und zur Knotenminute .30 im Darmstädter Hauptbahnhof.
Bis zur Umlegung der IC-Linie 26, die seit dem Fahrplanwechsel 2009/2010 im Dezember 2009 mit der EC-Linie 62 zwischen Frankfurt und Heidelberg einen Stundentakt bildet, konnten die Stationen Lützelsachsen sowie Heddesheim/Hirschberg nur zweistündlich bedient werden, was nunmehr nur noch vereinzelt in den Hauptverkehrszeiten der Fall ist. Die weiteren Bahnhöfe zwischen Frankfurt und Darmstadt werden über die sich vom Südbahnhof einfädelnden S-Bahn-Linien S3 und S4 bedient.
Den Anschluss nach Mannheim stellen zusätzliche Regionalbahnen her, die stündlich, teilweise auch nur zweistündlich, von Bensheim nach Mannheim verkehren. Einige dieser Züge werden ab Mannheim Hbf über die Bahnstrecke Mainz–Ludwigshafen bis nach Mainz Hbf durchgebunden. Bis auf eine Leistung am Morgen (Stand: Jahresfahrplan 2015) werden sie ausschließlich von Fahrzeugen des Typs 425 gefahren. Einzige Ausnahme bildet am Nachmittag ein Zugpaar, das von Ludwigshafen beziehungsweise Mannheim über Weinheim bis nach Fürth im Odenwald durchgebunden ist. Dieses Zugpaar wird mit Triebwagen der Baureihe 628 gefahren, und dient auch der Werksanbindung der Fahrzeuge an das Betriebswerk Ludwigshafen.
Unter der Bezeichnung „Main-Neckar-Express“ verkehrt zwischen Frankfurt Hbf und Mannheim Hbf zudem ein zweistündlicher Regional-Express (RE), der nur in Langen, Darmstadt, Bickenbach, Bensheim, Heppenheim, Hemsbach, Weinheim und Ladenburg hält. Seit Dezember 2006 halten die RE-Züge auch nur noch vereinzelt in Mannheim-Friedrichsfeld, wo sie Richtung Mannheim Hbf ausfädeln.
Im Juni 2013 schrieb der RMV gemeinsam mit VRN und NVBW die schnellen Nahverkehrsleistungen auf der Main-Neckar-Bahn EU-weit neu aus.[23] Ab 2018 sollen unter der Bezeichnung „Rhein-Main-Neckar-Express“ Doppeltraktionen ab Frankfurt verkehren, die in Mannheim-Friedrichsfeld geflügelt und zum Mannheimer Hauptbahnhof bzw. über Heidelberg nach Wiesloch-Walldorf durchgebunden werden.[24] In der Folge zogen jedoch sowohl Hessische Landesbahn[25] als auch DB Regio[26] ihre Ausschreibungen für das hierfür benötigte Wagenmaterial zurück.
Des Weiteren soll die Main-Neckar-Bahn zwischen Bensheim und Mannheim(-Friedrichsfeld) bis Dezember 2015 in das Netz der S-Bahn RheinNeckar integriert werden und die derzeit dort verkehrenden Regionalbahnen ablösen. Die S-Bahnen sollen – wie einige Regionalbahnen heute – bis nach Mainz durchgebunden werden.
In der Darmstädter Lokalposse Datterich von Ernst Elias Niebergall aus dem Jahr 1841 findet auch der projektierte Bau der Main-Neckar-Eisenbahn seinen Niederschlag. Dort spekulieren zwei der Protagonisten über deren Auswirkung auf Darmstadt:[27]
„Knippelius. […] (zu Dummbach.) Wos ich Ihne schon lengst froge wollt, Herr Unkel! Ich hob mich letzt gestritte: is die Eisebahn e Nutze for Dammstadt odder net? (Was ich Sie schon längst fragen wollte, Herr Onkel! Ich hab’ mich kürzlich gestritten: Ist die Eisenbahn von Nutzen für Darmstadt oder nicht?)
Dummbach. E bedeidender Nutze, ohne Froog. Nemme-Se nor, wieviel reise dann an Dammstadt vabei, die wo sonst ihr Lebdaag net vabeigerahst wehrn? (Ein bedeutender Nutzen, ohne Frage. Nehmen Sie nur an, wie viele reisen denn an Darmstadt vorbei, die sonst ihr Lebtage nicht vorbeigereist wären?)“