Das Lawson-Kriterium (nach John Lawson) ist eine physikalische Bedingung, die die für eine sich selbst tragende Kernfusionsreaktion notwendigen Mindestwerte bestimmter Größen verknüpft. Es wurde ursprünglich für die Fusion von Deuterium und Tritium (DT) mit magnetischem Plasmaeinschluss formuliert, gilt aber grundsätzlich auch für andere Fusionsbrennstoffe und Einschlussmethoden. Das Kriterium ist in vielen Sternen erfüllt bei vergleichsweise niedrigeren Temperaturen und sehr großen Drücken, die auf der Erde nicht erreichbar sind. Alle irdischen Versuche, das Lawson-Kriterium zu erreichen, scheiterten bisher daran, dass die Plasmavolumina zu klein sind und deshalb ihre thermische Verlustleistung zu groß ist. Erreicht werden sollte es mit dem Ursprungsentwurf für ITER, der in dieser Größe jedoch nicht bewilligt wurde. Bei seinem Nachfolger DEMO soll es möglich werden.
Das Kriterium ergibt sich bei einem DT-Plasma aus dem Gleichgewicht der im Plasma erzeugten, von den Alphateilchen getragenen Fusionsleistung [math]P_{f,\alpha}[/math] und der Verlustleistung [math]P_v[/math] des Plasmas.
Das Kriterium ergibt sich bei einem DT-Plasma folgendermaßen: Die bei der Fusionsreaktion freigesetzten Neutronen verlassen, da sie elektrisch neutral sind, das Plasma sofort und ihre kinetische Energie von 14,1 MeV dient dann der Energiegewinnung. Die elektrisch geladenen Alphateilchen verbleiben im Plasma und geben ihre Bewegungsenergie von 3,5 MeV an dieses ab, sie heizen also das Plasma mit einer Leistung [math]P_{f,\alpha}[/math]. Gleichzeitig verliert das Plasma Energie durch Bremsstrahlung und Transport, die Verlustleistung [math]P_v[/math]. Im Gleichgewicht muss die Alphateilchen-Heizung ebenso groß sein wie der Energieverlust: [math]P_{f,\alpha} = P_v[/math]. Erfüllt ein DT-Plasma diese Bedingung, „zündet“ es, „brennt“ dann ohne Energiezufuhr weiter und liefert seinerseits Energie als kinetische Neutronenenergie. Für den Betrieb eines Magneteinschluss-Fusionsreaktors muss das Kriterium nicht unbedingt vollständig erfüllt werden; eine gewisse ständig nötige Fremdheizung (mit z. B. einigen Prozent der gewonnenen Neutronenenergie) hätte sogar den Vorteil, eine zusätzliche Steuermöglichkeit der Reaktion zu bieten[1] (siehe auch Fusion mittels magnetischen Einschlusses).
Eine ohne äußere Energiezufuhr „brennende“ Fusion setzt voraus, dass die Verlustleistung nicht größer ist als der Anteil der im Plasma verbleibenden Fusionsleistung. Letztere beträgt bei einem DT-Plasma
mit den Teilchendichten [math]n_i[/math] der beiden Reaktionspartner, der über die Geschwindigkeitsverteilung der Teilchen gemittelten Reaktionsrate [math] \langle \sigma v \rangle [/math] (Teilchengeschwindigkeit multipliziert mit dem geschwindigkeitsabhängigen Wirkungsquerschnitt), dem auf das Alphateilchen entfallenden Teil der freiwerdenden Energie pro Fusion [math]\epsilon[/math] und dem Plasmavolumen [math]V[/math].
Die im Plasma enthaltene thermische Energie ist
mit der Elektronendichte [math]n_e[/math], der Boltzmannkonstante [math]k_\mathrm{B}[/math] und der Temperatur [math]T[/math].
Strahlungs- und Teilchentransportvorgänge bewirken eine Verlustleistung [math]P_v[/math]. Der Quotient aus der thermischen Energie und der Verlustleistung hat die Dimension einer Zeit und wird als Energieeinschlusszeit [math]\tau_E[/math] bezeichnet:
Zum Erreichen des selbsttätigen Brennens muss gelten:
Mit der Annahme, dass beide Reaktionspartner in gleichen Mengen vorhanden sind, also die gleiche Teilchendichte haben und quasi vollständig ionisiert sind
folgt das Lawson-Kriterium:
Bei vorgegebener Temperatur ergibt sich also der Mindestwert des Produkts aus Teilchendichte n und Energieeinschlusszeit [math]\tau_E[/math] für die selbsttätig brennende Fusionsreaktion. Dieses Produkt ist eine Funktion der Temperatur, die für jede Fusionsreaktion etwas anders verläuft, aber immer ein absolutes Minimum hat. Für die DT-Reaktion beispielsweise erhält man
wobei das Minimum bei einer Temperatur von ungefähr 25 keV liegt.
Anstelle von [math]n_e\tau_E[/math] wird meistens das sogenannte Tripelprodukt [math]n_e\tau_E T [/math] als Maß für das Erreichen der Zündbedingung verwendet. Das Lawson-Kriterium lautet dann
Dieses hat den Vorteil, dass das Minimum von [math]n_e\tau_E T [/math] als Funktion der Temperatur bei ca. 14 keV liegt (mit [math]n_e\tau_E T = 2{,}8 \times 10^{21} \mathrm{\,m^{-3}\, s\, keV}[/math]), dem Wert, der ungefähr notwendig ist, um einen Fusionsreaktor zu betreiben.
Insbesondere hoch ionisierte Verunreinigungen im Plasma (z. B. [math]\mathrm{C}^{6+}, \mathrm{Fe}^{20+}[/math]) führen zu einem Energieverlust durch Bremsstrahlung. Der für eine Zündung notwendige Wert des Tripelproduktes liegt dadurch höher.
Die Bremsstrahlungsverluste sind gegeben durch
mit der Konstanten [math] c_1 = 1{,}59 \times 10^{-40} \mathrm{\,W\,m^{3}\,K^{-\frac{1}{2}}} [/math] und der effektiven Ladung [math] Z_\mathrm{eff} = \frac{1}{n_e} \sum_s Z_s^2 n_s[/math] (die Summe läuft über alle Ionenspezies des Plasmas).
Für eine selbstständig ablaufende Fusionsreaktion ergibt sich damit aus der Bedingung [math] P_{f,\alpha} \ge P_v + P_B[/math] (wobei [math]P_v [/math] hier nur den Verlust durch Transportvorgänge beschreibt) das Kriterium
Ohne Verunreinigungen, d. h. [math] Z_\mathrm{eff}=1 [/math], ergibt sich damit am Minimum der Wert [math]n_e\tau_E T =3 \times 10^{21} \mathrm{\,m^{-3}\, s\, keV}[/math]. Enthält das Plasma z. B. 0,5 % Verunreinigung durch [math]\mathrm{Fe}^{20+}[/math], d. h. [math] Z_\mathrm{eff} = 2{,}9 [/math], so erhöht sich der Wert des Tripelproduktes am Minimum auf [math]n_e\tau_E T = 3{,}3 \times 10^{21} \mathrm{\,m^{-3}\, s\, keV}[/math]. Es wird also schwieriger, die für eine Zündung notwendigen Bedingungen zu erreichen.