Stadt
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Liste der Städte in Russland |
Kasan (russisch Каза́нь; tatarisch Казан/Qazan) ist die Hauptstadt der Republik Tatarstan in Russland. Mit 1.143.535 Einwohnern (Stand 14. Oktober 2010 )[1] ist Kasan die achtgrößte Stadt Russlands. Die Stadt an der Wolga liegt rund 800 km östlich von Moskau und ist ein wichtiges Zentrum des russischen Islams sowie ein bedeutender Kultur-, Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort und Verkehrsknotenpunkt.
Die Stadt Kasan wurde wahrscheinlich von den Wolgabulgaren 1177 gegründet. Mit dem Einfall der Goldenen Horde verloren die Wolgabulgaren im 13. Jahrhundert ihre Unabhängigkeit. Der Niedergang der mongolischen Herrschaft führte 1393 zur Bildung des Khanats von Kasan (ca. 1437–1552). Als Hauptstadt des Khanats entwickelte sich Kasan zur Mitte des 15. Jahrhunderts zu einem wichtigen Handels- und Handwerkszentrum. Die an Handelsrouten gelegene Stadt war bekannt für ihre prächtigen Paläste und Moscheen, durch Lederwaren und Goldschmiedearbeiten.
Kasan war die erste nichtrussische Stadt, die Zar Iwan IV. 1552 dem russischen Reich einverleibte (siehe auch: Moskau-Kasan-Kriege). Damit gilt Kasan als Ausgangspunkt des russischen Vielvölkerstaates. Kasan brannte infolge der Kampfhandlungen vollständig ab, wurde aber wieder aufgebaut und entwickelte sich zu einem wirtschaftlichen Zentrum. Iwan IV. ließ die Stadt zur Festung gegen Angriffe aus dem Osten ausbauen (vgl. Kasaner Kreml). Die Stadt zählte etwa 15.000 Einwohner, die Garnison mit eingeschlossen. Die tatarische Bevölkerung betrug nur 6000 Einwohner, von denen nicht alle völlig sesshaft waren.
Bezogen auf die 1630er Jahre gibt es über Kasan schriftliche Zeugnisse aus einer Reisebeschreibung in deutscher Sprache, die auch Abbildungen enthält.[2] 1672 und 1684 entvölkerten Feuersbrünste ganze Straßenzüge von Kasan. Der Wiederaufbau der Stadt wurde bis zum Ende des Jahrhunderts abgeschlossen. 1708 erklärte Peter I. Kasan zur Hauptstadt des Gouvernements Kasan.
In den 1770er Jahren wurde Kasan zu einem Zentrum des Pugatschow-Aufstands (1773–75). Eine Feuersbrunst zerstörte zum dritten Mal große Teile der mehrheitlich aus Holz erbauten Stadt. Der Wiederaufbau Kasans erfolgte nach einem von Katharina II. autorisierten Generalplan. In einer Mischung aus östlicher und westlicher Architektur wurde das Stadtzentrum in Stein neu aufgebaut und die Straßen begradigt. Kasan entwickelte sich schnell wieder zu einem Handelszentrum für Porzellan, Keramik, Gewürze, Stoffe, Lederwaren, Wein und Früchte. Der Handel brachte Wohlstand in die Stadt. 1791 eröffnete das erste ständige Theater.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte sich Kasan zum industriellen, Handels- und Kulturzentrum der Wolgaregion entwickelt. Öffentliche und geistliche islamische Schulen wurden gebaut. Tatarische Verlage in Kasan, die ihre Publikationen in großer Zahl an Muslime in den verschiedenen Teilen Russlands verkauften, erleichterten die Verbreitung islamischer Literatur.[3]
Die Universität Kasan gehört zu den ältesten Russlands. Nennenswert ist, dass Kasan zwischen 1807 und 1854 ein Zentrum für Orientalistik war. Hier konnte man Türkisch, Persisch und Arabisch sowie, ab 1844, Mongolisch studieren. Es gab deutsche Dozenten, die kein Russisch sprachen und in lateinischer Sprache unterrichteten, aber ab 1826 vor allem der junge Gelehrte Mirza Kazem-Bek, der persische Wurzeln hatte.[4] 1843 wurde hier erstmals eine zweisprachige Ausgabe mit klassischer persischer Literatur publiziert (Persisch-Deutsch), und zwar eine Teilausgabe von Nezāmis Sieben Schönheiten (um 1200).[5] Ab 1844 studierte Tolstoi in Kasan Orientalistik. 1870 erschien in Kasan die erste gedruckte Version des heute in viele Sprachen übersetzten Buches Aufrichtige Erzählungen eines russischen Pilgers, eines Klassikers der ostkirchlichen Spiritualität, durch das das Jesusgebet weltweit bekannt wurde. Der Jurastudent Lenin beteiligte sich hier Ende der 1870er Jahre in Kasan an Studentenprotesten.
Nach der Oktoberrevolution von 1917 begann der Russische Bürgerkrieg, in dessen Verlauf Kasan nach längeren Kämpfen am 6. August 1918 von Truppen der auf der Seite der Weißen Armee stehenden Tschechoslowakischen Legion eingenommen wurde. Am 10. September 1918 eroberte die Rote Armee die Stadt zurück.
Am 27. Mai 1920 wurde Kasan mit Gründung der Tatarischen ASSR deren Hauptstadt.
Im Rahmen der deutsch-sowjetischen Militärkooperation gemäß dem Vertrag von Rapallo erprobte die deutsche Reichswehr (Inspektion 6 Kraftfahrwesen) zusammen mit der Roten Armee von 1926 bis 1933 im Geheimen in der nahegelegenen Panzerschule Kama Panzer, bildete an ihnen aus und entwickelte neue Panzertaktiken. Unter anderem wurde dort der Großtraktor umfangreichen Tests unterzogen. Die Übungen bildeten den Grundstein für das später erfolgreich angewandte Blitzkrieg-Konzept. Mit der Machtübernahme der nationalsozialistischen Regierung endete die Zusammenarbeit. Zahlenmäßig wurden insgesamt lediglich 30 Panzerfachleute ausgebildet.[6]
In der Stadt bestand das Kriegsgefangenenlager 119 für deutsche Kriegsgefangene des Zweiten Weltkriegs.[7]
Seit dem Zerfall der Sowjetunion ist Kasan Hauptstadt der Autonomen Republik Tatarstan innerhalb Russlands.
Beschreibung: In Silber steht auf einem grünen Schildfuß ein goldgekrönter, goldbewehrter, rotflügliger schwarzer Silant mit roter Schwanzspitze.
Der Schild der Stadt ist ohne Krone. Diese gibt es nur über dem Wappen des Königreichs Kasan (Khanat Kasan).
Das erste offizielle Wappen von Kasan wurde am 18. Oktober 1781 genehmigt. Modernisiert wurden Wappen und Flagge im Jahr 2005.
Im Jahr 1926 gab es ein Verbot der Heraldik, da Basilisk und Drache Stärke, Weisheit und Unbesiegbarkeit symbolisieren. Auch die Erde, das Leben und den Reichtum symbolisiert diese Wappenfigur in diesem Kulturkreis.
Die Bevölkerung besteht laut russischem Zensus aus dem Jahr 2010 zu 48,6 % aus Russen und zu 47,6 % aus Tataren[8]. Daneben leben in Kasan zahlreiche weitere, kleinere Minderheiten wie etwa Tschuwaschen, Ukrainer, Mari, Russlanddeutsche, Juden und andere.
Die am stärksten vertretenen Religionen sind das Christentum mit der Russisch-Orthodoxen Kirche sowie der Islam.
Während der sowjetischen Zeit gab es in Kasan nur eine einzige geöffnete Moschee, nämlich die Mardjani-Moschee.[9] Sie wurde von Mullas unterhalten, die über eine gewisse theologische Ausbildung verfügten.[10] Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion entstanden in Kasan zahlreiche neue Moscheen. Im Frühsommer 2005 wurde mit der Kul-Scharif-Moschee die größte Moschee Europas in Kasan eröffnet.
Seit 1992 hat die "Geistliche Verwaltung der Muslime der Republik Tatarstan" (Dukhovnoe upravlenie musul'man Respubliki Tatarstan; DUMRT) in Kasan ihren Sitz.[11] In Kasan erscheinen darüber hinaus mehrere islamische Zeitschriften in tatarischer Sprache, DUMRT-Organ Din vä ädäp sowie Islam nurï, Din vä maghyishät und die Frauenzeitschrift Muslima.[12]
Von den acht offiziell anerkannten islamischen Erziehungsinstitutionen der Republik Tatarstan befinden sich drei in Kasan, nämlich die Islamische Universität der Russischen Föderation, die "Muhammadiyya Madrasa" und die "Madrasa zum tausendjährigen Jubiläum des Islams"[13] Die Islamische Universität, die 1998 von der DUMRT in Zusammenarbeit mit dem Russischen Mufti-Rat und dem Institut für Geschichte der Tatarischen Akademie der Wissenschaften gegründet wurde, hat ein Lehrpersonal von 25 Dozenten und besitzt seit 2003 das Recht, islamisch-theologische Abschlüsse zu verleihen.[14] Die Muhammadiyya Madrasa, die 1881 gegründet, nach 1918 unter den Sowjets geschlossen und 1993 wiedereröffnet wurde, ist eine Madrasa, an der Jungen und Mädchen ab 14 Jahren studieren können.[15] Die "Madrasa zum tausendjährigen Jubiläum des Islams" wurde erst 1990 außerhalb von Kasan gegründet und zog 1991 in die Stadt. Sie bietet eine vierjährige islamische Ausbildung an und verfügt über 12 Dozenten.[16]
Unter den religiösen Minderheiten sind auch Katholiken, Protestanten, Juden, Bahai und Krishna mit eigenen Gebetshäusern vertreten, wobei die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde von Kasan ein eigenes Kammerorchester unterhält.
Jahr | Einwohner |
---|---|
1897 | 129.959 |
1926 | 179.023 |
1939 | 398.014 |
1959 | 646.806 |
1970 | 868.537 |
1979 | 992.675 |
1989 | 1.094.378 |
2002 | 1.105.289 |
2010 | 1.143.535 |
Anmerkung: Volkszählungsdaten
In Kasan sind Tatarisch und Russisch Amtssprachen. Während Tatarisch hauptsächlich von Tataren gesprochen wird, beherrscht nahezu die gesamte Bevölkerung der Stadt Russisch. Das Russische dominiert insbesondere auch im Geschäftsleben.
Die Stadt gilt als eine Perle der Architektur, die Orient und Okzident in sich vereint. Der Kasaner Kreml () gilt als einer der schönsten seiner Art und ist aus diesem Grund in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen worden. Dort steht auch der ehemalige Gouverneurs-Palast, der von 1843 bis 1853 an Stelle des Khan-Palastes vom russischen Architekten Konstantin Thon errichtet wurde. Darüber hinaus errichtete Thon die daneben stehende Schlosskirche.
Anlässlich des erfolgreichen Feldzuges nach Kasan ließ Iwan IV. eine Kathedrale in Moskau errichten: die Basilius-Kathedrale auf dem Roten Platz. Gleichzeitig wurde auf Befehl des Zaren eine kleine hölzerne Kirche im Kasaner Kreml gebaut, die schon nach drei Tagen fertig war. Später wurde diese Kirche umgebaut, und seit vermutlich 1556 steht im Kasaner Kreml eine prachtvolle orthodoxe Kathedrale: die Mariä-Verkündigungs-Kathedrale. Diese Kathedrale ist das älteste Baudenkmal des Kasaner Kremls.
Nahe der Mariä-Verkündigungs-Kathedrale befindet sich ein Turm aus rotem Ziegelstein: der Sujumbike-Turm. Der nach der letzten Regentin des Kasaner Khanats benannte Turm entstand im 18. Jahrhundert. Hinter dem Turm befindet sich ein Mausoleum mit den Sarkophagen der tatarischen Khane.
Anlässlich des 1000-jährigen Bestehens im Jahre 2005 wurden der Kreml und andere Gebäude renoviert.
Der Hauptturm des Kasaner Kremls ist der Spasski-Turm oder der Erlöser-Turm. Dieser Turm wurde im 19. Jahrhundert errichtet. Aber nach der Meinung einiger bekannter Architekten stammt das erste Stockwerk des Turmes aus dem 16. Jahrhundert und wurde noch von den russischen Baumeistern Postnik Jakowlew und Iwan Schirjajew erbaut. Bis zur Oktoberrevolution 1917 befand sich im obersten Stockwerk eine Kapelle und noch heute kann man dort Umrisse der Kirchenfenster erkennen. Ganz oben auf dem Turm ist ein Stern angebracht, der in den 1930er Jahren aufgestellt wurde. Heute wird oft darum gestritten, ob der Stern hier passend ist. Aber die Regierung ist der Meinung, dass ein Kreuz die Tataren und ein Halbmond die Russen beleidigen könnte.
Im Jahre 2011 fanden die Europameisterschaften im Gewichtheben in Kasan statt, 2013 war die Stadt Gastgeberin der Sommeruniversiade und 2014 der Fechtweltmeisterschaften. 2015 wurden die Schwimmweltmeisterschaften in Kasan ausgetragen.[17]
Das Verkehrsnetz ist gut entwickelt, wozu auch die Schifffahrt auf mehreren Flüssen, unter anderem auf der Wolga und der Kama, und der internationale Flughafen beitragen.
2005 wurde anlässlich des 1000-jährigen Jubiläums der Stadt die Kasaner Metro eröffnet. Sie umfasst derzeit eine Linie mit zehn Stationen und soll in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden. Derzeit (2013) befördert sie pro Jahr 31,3 Millionen Passagiere[18]. Weitere öffentliche Verkehrsmittel der Stadt sind die Straßenbahn, Busse, Trolleybusse und Marschrutkas. Die Stadt hat auch einen Fernbahnhof, einen Binnenhafen sowie einen internationalen Flughafen.
In Kasan befinden sich zwei große Flugzeugwerke: Die Kazan Aircraft Production Association (KAPO), bekannt durch Flugzeuge wie Pe-8, IL-62, Tu-104 oder Tu-160, die OAO Kasan Helicopters, bekannt durch die Mil Mi-8- und Mil Mi-17-Hubschrauber, ferner OAO Kazan Motor-Building Production Association, ein Hersteller von Flugzeug- und Gasturbinen, und ООО MVEN Company, ein Flugzeugausrüster und Fallschirmproduzent. Auch Betriebe der chemischen und pharmazeutischen Industrie sowie eine Produktion medizinischer Geräte befinden sich in Kasan. Basierend auf der Ölwirtschaft Tatarstans, auf der wachsenden verarbeitenden Industrie, auf Bauwirtschaft, Tourismus und Handel – u.a. mit türkischen Importeuren und Exporteuren – hat sich Kasan zu einem florierenden Zentrum mit überregionaler Bedeutung entwickelt.[19]
Kasan beherbergt eine Vielzahl an Universitäten und weiterführenden Bildungseinrichtungen. Von besonderer Bedeutung ist die Staatliche Universität Kasan, die zweitälteste Universität Russlands. An ihr studierten zahlreiche bedeutende Persönlichkeiten der russischen Geschichte, darunter Lenin und Tolstoi.
In Kasan herrscht ein gemäßigtes Kontinentalklima mit kalten Wintern (mitunter fallen die Temperaturen unter −30 °C) und milden Sommern, mit Durchschnittstemperaturen von 20 °C.
Monatliche Durchschnittstemperaturen und -niederschläge für Kasan
Quelle: wetterkontor.de
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Das Deutsche Haus der Republik Tatarstan wurde im Jahr 2000 gegründet. Es ist heute ein Zentrum der Russlanddeutschen sowie ein Zentrum für deutsche Sprache und Kultur. Direktor ist seit 2008 Victor Dietz.
Kasan war Ende der 1960er Jahre eine der ersten Städte der Sowjetunion, in der sich kriminelle Jugendbanden zusammenfanden, die später auch Ableger in Leningrad und Moskau gründeten. Diese Entwicklung, die in Kasan von ca. 100 kleinen gelegenheitskriminellen Peergroups zu ca. 20 mafiaähnlichen Großbanden eskalierte, welche das Kleingewerbe kontrollierten, wurde als „Kasan-Phänomen“ bezeichnet. Der Terminus fand Eingang in die englische Sprache als „Kazan phenomenon“ und zog einige soziologische Untersuchungen nach sich.[20] Durch die positive wirtschaftliche Entwicklung nach 2005 hat die Kriminalität stark abgenommen.[21]
Kasan unterhält folgende Städtepartnerschaften (Stand: 2005):[22]
Zu den Söhnen und Töchtern der Stadt Kasan gehören u. a. der russische Poet Gawriil Derschawin (1743–1816), der deutsche Pianist Georg von Albrecht (1891–1976), der österreichische Astronom Karl Ludwig von Littrow (1811–1877), die russische Schauspielerin Tschulpan Chamatowa (* 1975), der Generalstabschef der Russischen Streitkräfte Waleri Gerassimow (* 1955), der russische Eishockeyspieler Dmitri Obuchow (* 1983), der berühmte russische Opernsänger Fjodor Schaljapin (1873–1938) und der oberste islamische Würdenträger (Großmufti) in der Russischen Föderation Talgat Tadschuddin (* 1948).