Der Islam hat in der Schweiz laut der Volkszählung aus dem Jahr 2012 rund 328‘000 Anhänger,[1] andere Angaben gehen 2007 von über 440'000 Muslimen in der Schweiz aus (5,8 % Anteil in der Gesamtbevölkerung).[2] Die meisten von ihnen sind seit Mitte des 20. Jahrhunderts aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei eingewandert. Der Islam ist damit nach dem Christentum die zweitgrösste Religionsgemeinschaft in der Schweiz.
Die Geschichte des Islams in der heutigen Schweiz ist älter als die Eidgenossenschaft an sich. Sie beginnt im 10. Jahrhundert, als Muslime vorübergehend das Hochburgund beziehungsweise die heutige Schweiz erreichten.[3][4]
Aus dem südfranzösischen Fraxinetum (Provence) vorstossende Araber -auch als Sarazenen bezeichnet- eroberten 939 Genf. Sie beherrschten in den folgenden Jahren das Wallis, Teile Graubündens und der Ostschweiz. Zwischen 952 und 960 beherrschten die Araber nach der Schlacht bei Orbe weite Teile im Süden und Westen der Schweiz einschliesslich des Grossen St. Bernhard-Passes[5] und stiessen im Nordosten ebenfalls bis St. Gallen vor, im Südosten bis Pontresina.[6] Die arabischen Überfälle («Razzien») wurden mit der Eroberung des Brückenkopfs Fraxinetum durch provencialische Truppen um 975 beendet. Etymologische Ableitungen einiger Walliser Ortsnamen von arabischen Bezeichnungen werden derzeit von der linguistischen Forschung abgelehnt.[4] Siedlungsspuren der Sarazenen im schweizerischen Alpenraum wurden bis jetzt ebenfalls nicht entdeckt.[4]
1935 fand in der Schweiz ein von Ägyptern inspirierter Kongress Europäischer Muslime statt. Im Jahr 1945 kamen die ersten Türken in die Schweiz, um sich an schweizerischen Hochschulen – zum Teil mit Unterstützung des türkischen Staates – ausbilden zu lassen (darunter auch der spätere Minister Tahsin Önalp, der an der ETH Zürich promoviert wurde). Die meisten kehrten nach dem Abschluss des Studiums wieder in die Türkei zurück. 1946 kam auch eine Gruppe Ahmadiyya-Missionare ins Land und bauten mit der Mahmud-Moschee in Zürich 1963 die erste Moschee der Schweiz. 1978 wurde die Genfer Moschee eröffnet.
Anfang 1960er bis Mitte der 1970er Jahre kamen türkische Gastarbeiter und etwas später ihre Familien (siehe auch Türkeistämmige in der Schweiz). Zur gleichen Zeit wanderten Gastarbeiter aus den islamisch geprägten Teilen Jugoslawiens in die Schweiz ein. Daher flohen während des Bosnienkrieges und des Kosovokrieges viele Menschen aus diesen Regionen zu ihren Verwandten. Der Islam in der deutschsprachigen Zentralschweiz ist daher vor allem bosnisch, albanisch (siehe Albaner in der Schweiz) und türkisch geprägt (siehe auch Pakistaner in der Schweiz), in der Romandie sind arabischstämmige Muslime stärker vertreten. Die grössten muslimischen Bevölkerungsanteile finden sich in der französischsprachigen Westschweiz, die geringsten in der italienischen Südschweiz.
Rechtsstreitigkeiten um den Bau von Moscheen oder Moscheeerweiterungen (Minarette) beeinflussten seit 2006 das Zusammenleben mit den Muslimen in der Schweiz. Dabei handelte sich die Errichtung von Minaretten bei den bestehenden muslimischen Gebetsräumlichkeiten in drei Gemeinden (Wangen bei Olten, Langenthal und Wil SG) sowie den Plan zum Bau eines Islamischen Zentrums in Bern.
Die Schweizerische Volkspartei (SVP) mobilisierte gegen die Bauvorhaben; im Kanton Zürich kam es zu einer Parlamentarischen Initiative, und am 1. Mai 2007 wurde eine Eidgenössische Volksinitiative mit dem Titel «Gegen den Bau von Minaretten», welche den Bau von Minaretten in der Schweiz untersagen wollte, offiziell gestartet. Diese Initiative wurde am 29. November 2009 mit einer deutlichen Mehrheit angenommen, die meisten Gegenstimmen kamen aus der Westschweiz.
Da unter den Muslimen auf Grund von Herkunft und Kultur starke Unterschiede bestehen, gibt es noch immer viele verschiedene Vereine und Gruppen, die untereinander relativ wenig Kontakt pflegen. Diese Gruppen treffen sich meist in sogenannten Hinterhofmoscheen. Ihre Organisation verbessert sich jedoch konstant.
Die Ahmadiyya-Bewegung des Islams in der Schweiz (Nationalorganisation der Ahmadiyya Muslim Jamaat) hat etwa 700 Mitglieder und ihr Emir (Präsident) ist Walid Tariq Tarnutzer.[7]
In den letzten Jahren gründeten muslimische Migranten in der Schweiz mehrere «sprach- und kulturübergreifende Dachverbände»:[8]