Hugo Pratt (eigentlich: Ugo Eugenio Pratt) (* 15. Juni 1927 in Rimini; † 20. August 1995 in Lausanne) war ein italienischer Comic-Autor. Seine Figur Corto Maltese bildet einen Meilenstein des literarischen Comics.
Pratt stammte aus einer multinationalen Familie mit Wurzeln in Venetien, England, Frankreich und Anatolien bzw. Armenien. Sein Großonkel war William Henry Pratt, der unter dem Pseudonym Boris Karloff ein erfolgreicher Filmschauspieler (u. a. als Frankensteins Monster) der frühen Tonfilmzeit war. Hugo Pratts Vater war Ingenieur.
1937 zog die Familie in das damalige Protektorat Abessinien des faschistischen Italiens, das heutige Äthiopien. Als 1941 Haile Selassie mit Unterstützung alliierter Verbände an die Macht kam, wurde die Familie, die sich einer faschistisch-italienischen Miliz angeschlossen hatte, verhaftet und interniert. Der Vater starb; um 1943 konnte der Rest der Familie aber mit Hilfe des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz vor der herannahenden Armee der Briten nach Italien evakuiert werden. Dort wurde der 17-jährige Hugo Pratt 1944 unter dem Verdacht verhaftet, ein südafrikanischer Spion zu sein. Er wurde der deutschen Wehrmacht überstellt und musste Patrouillendienst bei der Wasserschutzpolizei versehen. Ein Freund, der Partisan und spätere Comiczeichner Giorgio Bellavitis, verhalf ihm zur Flucht über die Front zur einmarschierenden 8. Armee. Dort arbeitete er zunächst als Dolmetscher, dann in der Militärverwaltung, zuletzt unter dem Künstlernamen Ongaine als Sänger und Tänzer für die US-amerikanische Truppenbetreuung. Nach einer anderen Version hatte er für ein faschistisches Bataillon als Dolmetscher gearbeitet und war nach Kriegsende eine Zeit lang in Österreich interniert.
1945 begann er in Venedig ein Kunststudium an der Akademie der Schönen Künste in Venedig. Hier begann auch Pratts Karriere als Comiczeichner, gemeinsam mit Freunden, anderen Zeichnern und Autoren (darunter Alberto Ongaro und Dino Battaglia) gründete er das Comic-Magazin Asso di Picche (deutsch: „Pik As“). Der Titel bezeichnet das erste größere Werk Pratts.
1949 erkannte der argentinische Verleger Cesare Civita das Talent des Zeichners, und Hugo Pratt siedelte nach Buenos Aires über, wo er Abenteuerserien wie Junglemen und Sergente Kirk zeichnete. Bereits mit Junglemen hatte Pratt den Stil gefunden, den man heute als für ihn typisch ansieht. Zu seinen weiteren Arbeiten zählen: Ernie Pike, Ticonderoga und das in Ostafrika 1913 spielende Ann y Dan. Autor dieser Serie war Héctor Germán Oesterheld. Für das argentinische Magazin Misterix zeichnete er Capitain Cormorant und Fort Wheeling.
Im Jahr 1953 heiratete Pratt die Argentinierin Gucky Wogerer, mit der er zwei Kinder hatte; die Ehe wurde 1957 wieder geschieden. Hugo Pratt führte zu dieser Zeit ein unstetes Abenteurerleben.
1959 kehrte er nach Europa zurück, um in London für mehrere Tageszeitungen sowie für den Verlag Fleetway Abenteuer- und Kriegscomics zu zeichnen.
1962 zog er von dort nach Venedig, wo er mit der Koloristin Annie Frognier zusammenlebte. Pratt arbeitete für die Jugendbeilage des Corriere della Sera, wo er klassische Abenteuergeschichten der Jugendliteratur (zum Beispiel Die Schatzinsel, Odyssee) nach Szenarien des Chefredakteurs in Comicform brachte.
1967 gründeten der Mäzen Claudio Bertieri und der italienische Verleger Florenzo Ivaldi das Magazin Sgt. Kirk, um Pratt eine angemessene Plattform für seine Comics zu bieten.
Hier wurde 1967 Una Ballata del Mare Salato (Eine Südseeballade) veröffentlicht, eine melancholische Abenteuergeschichte in der Tradition von Joseph Conrad, die als Ausgangspunkt europäischer Graphic Novels gilt. In dieser Geschichte tauchte zum ersten Mal Corto Maltese auf, ein Kapitän ohne Schiff, der zur Hauptfigur von Pratts weiterem Schaffen werden sollte. Ab 1970 und in den folgenden drei Jahren gestaltete Pratt für das Magazin Pif des französischen Verlags Vaillant über 20 etwa 20seitige Episoden mit Corto Maltese. Die anderen Serien und Geschichten Pratts gerieten mehr und mehr in den Hintergrund, Corto Maltese wurde nicht nur der Comic, der von der Kritik enthusiastisch gefeiert wird, sondern auch ein Verkaufserfolg: Ende der achtziger Jahre verkaufte Pratt pro Jahr fast eine halbe Million seiner Alben.
1983 sind in Zusammenarbeit mit Milo Manara zwei Comic-Geschichten entstanden, die die Kolonisation Amerikas thematisieren: Ein indianischer Sommer (zwei Alben) und El Gaucho.
Ab der zweiten Hälfte der 70er Jahre betätigte sich Pratt auch gelegentlich als Filmschauspieler. Sein bekanntester Part dürfte dabei eine nicht eben kleine Nebenrolle in Leos Carax' Mauvais sang (Die Nacht ist jung) gewesen sein.[1]
1984 zog Pratt nach Grandvaux bei Lausanne. Er arbeitete weiter an neuen Geschichten um Corto Maltese, erneuerte und verbesserte aber auch peu à peu – ganz im Stile von Hergé – ältere Arbeiten. Zu seinen letzten Arbeiten zählt die Geschichte vom letzten Flug von Antoine de Saint-Exupéry: Sein letzter Flug.
1995 erlag Hugo Pratt in Lausanne einem Krebsleiden. Neben zahllosen anderen Preisen und Auszeichnungen wurde Pratt zum Chevalier des Arts et Lettres ernannt. Der Ordre des Arts et des Lettres ist die höchste Auszeichnung, die einem Künstler in Frankreich verliehen werden kann. Bereits 1989 hatte er den Grand Prix de la Ville d’Angoulême am Festival International de la Bande Dessinée d’Angoulême gewonnen.
2005 wurde Pratt posthum in die Will Eisner Award Hall of Fame aufgenommen.
Eine Ehrung anderer Art erfuhr Hugo Pratt durch Milo Manara. Er wird in dessen Comicromanen Das große Abenteuer und Tag des Zornes selbst zur Comicfigur. Unter seinen Initialen H.P. und der Bezeichnung „Meister des Abenteuers“ berät er den (Anti-)Helden Giuseppe Bergmann bei dessen Versuch ein Abenteuer zu erleben.[2]
Die späteren Farbausgaben sind meist um zusätzliche, teilweise sehr umfangreiche Vorworte erweitert.
Hugo Pratt gründete 1983 die Firma Cong SA (eine Fantasie-Abkürzung von Comics Organization News Gold), der er 1987 das Eigentum und die Nutzungsrechte seiner Werke übertrug. Seitdem wachte die Cong SA über die Einhaltung des Copyrights und lizenziert die Rechte an den Marken Corto Maltese und Hugo Pratt für Neuausgaben, Merchandise, Ausstellungen und aller weiteren Formen von Veröffentlichungen.[3]
Die französischsprachigen Publikationsrechte liegen seit 1973 beim Verlag Casterman. Deutschsprachige Ausgaben basieren in der Regel auf deren Vorlagen.