Schriftpropheten des Alten Testaments |
---|
Die „großen“ Propheten |
|
Die „kleinen“ Propheten |
Namen nach dem ÖVBE Kursiviert: Katholischer Deuterokanon |
Hosea (auch: Hoschea, hebräisch הושע, in der Vulgata Osee) war ein biblischer Prophet, der etwa zwischen 750 und 725 v. Chr. im Nordreich Israel wirkte. Das ihm zugeschriebene gleichnamige Buch eröffnet die Reihe des Zwölfprophetenbuchs im Tanach, der hebräisch-aramäischen Bibel, mit der Geschichte über ein Gottesbild, das Hosea auf der Grundlage der eigenen leidvollen Liebeserfahrung entwickelte, und das die verzweifelte Liebe zu Israel darstellt. Sein Werk wird unter den zwölf kleineren Propheten eingereiht. Der Name Hosea bedeutet er rettet.
Hos 1,1 stellt Hosea als Sohn Beeris vor (Hos 1 EU ). Mehr erfährt man nicht über seine Herkunft. Er stammte aber wohl aus dem Nordreich, denn er bezog sich ausschließlich auf dessen Traditionen und trat vor allem in der Hauptstadt Samaria, eventuell auch anderen israelischen Kultorten wie Bethel und Gilgal auf, die genannt werden.
Er soll in der Regierungszeit der judäischen Könige von Usija (ca. 787–736) bis zu Hiskija (ca. 728–700) sowie unter dem israelischen König Jerobeam II. (787–747) gewirkt haben. Diesem war zunächst eine Rückeroberung der an die Aramäer verlorenen Gebiete gelungen (2. Kön 14,25). Doch bald darauf wurden Israel und Juda zunehmend von der neuen Großmacht Assyrien bedroht; 722 eroberte deren König Salmanassar V. Samaria und beendete das Königtum des Nordreichs.
Einige Anspielungen erlauben, Hoseas Wirkungszeitraum näher einzugrenzen:
Anders als bei dem etwa zeitgleich auftretenden Propheten Amos (Am 7,14) wird von Hosea keine ausdrückliche Berufung berichtet. Seine Prophetie ist überwiegend Kultkritik, verrät genaue Kenntnis der Opferpraxis und stellt die Exodustradition in den Vordergrund. Man hat deshalb vermutet, dass Hosea mit oppositionellen Priestern im Nordreich verbunden war, die den Synkretismus bekämpften und – ähnlich wie schon die vorherigen Propheten Elija und Elischa – die exklusive Verehrung JHWHs gegen eine ausgleichende, den kanaanäischen Baalskult einbeziehende Religionspolitik der Könige durchzusetzen versuchten. Diese Politik wird im Deuteronomistischen Geschichtswerk stereotyp als „Sünde Jerobeams“ für den Untergang des Nordreichs verantwortlich gemacht.
Hoseas eigene Liebesgeschichte war eine Leidensgeschichte. Er heiratete eine Frau, die ihm immer wieder untreu wurde. Er beschwor sie, sperrte sie sogar ein, um weitere Treffen mit ihren Liebhabern zu verhindern. Er beschimpfte sie als Hure oder versuchte es mit pädagogischen Strafmaßnahmen.
Diese katastrophale Ehe, in der der Betrogene trotz ihrer Untreue nicht von seiner Geliebten lassen kann, wurde als Symbol für Israel genommen, dessen Volk mehrere Götter wie eine Hure verehrte. Hoseas Geduld, der weder seine Frau, noch die Hoffnung auf ihre Rückkehr aufgibt, zeugt von einer großen, anrührenden Leidenschaft.
Der Textbestand des Buches Hosea gehört zu den am schlechtesten erhaltenen biblischen Büchern. Entsprechend uneinig ist die historisch-kritische Bibelforschung über seine mögliche Herkunft und Überlieferungsgeschichte. Diskutiert werden vier denkbare Entstehungsmodelle:
Sicher ist, dass ein Teil der hier gesammelten Prophetensprüche auf eine judäische Redaktion in oder nach dem Babylonischen Exil (586–539 v. Chr.) zurückgeht, die Unheilsworte an das Nordreich auf das Südreich bezog und entsprechend ergänzte. Das zeigen im ganzen Buch verstreute angehängte Einzelverse, die Israels Schicksal von 722 als Mahnung an Juda deuten (4,15; 5,5; 6,1–3; 7,10; 8,14; 10,11; 11,10f).
Dieser Redaktion kann jedoch schon eine lange überlieferte Sammlung von Hoseas Prophetie vorgelegen haben, die wahrscheinlich bald nach 722 im Südreich begann. Eventuell wurden dort bereits Heilsansagen unverbunden neben die älteren, authentischen Unheilworte Hoseas gestellt, da nach 586 auch judäische Prophetie auf diese Weise ergänzt und gedeutet wurde (Hans Walter Wolff, Otto Kaiser).
Das Buch besteht großenteils aus gesammelten Prophetensprüchen Hoseas ohne Rahmenhandlung. Sie lassen nur zum Teil eine zeitliche oder thematische Anordnung erkennen. Die Einteilung in 14 Kapitel wurde erst im Mittelalter vorgenommen. Zwei Hauptteile sind erkennbar.
I. Kapitel 1–3 verbindet Texte, die Hoseas Ehe mit einer Hure bzw. Ehebrecherin als Spiegel für Israels Untreue gegenüber JHWH darstellen.
„Danach werden sich die Kinder Israel bekehren und den Herrn, ihren Gott, und ihren König David suchen und werden mit Zittern zu JHWH und seiner Gnade kommen in der letzten Zeit.“
Dieser eschatologische Ausblick verrät eine Komposition dieses Hauptteils gegen Ende des Exils, als unter den Exilierten Hoffnungen auf einen Nachkommen Davids keimten, der Israel und Juda wiedervereinen und damit die messianische Heilszeit einläuten würde. Hoseas akute gegenwartsbezogene Unheilsansage, die keine Ausflucht mehr ließ, wurde zum Bußruf historisiert, auf den hin vergangenes Geschehen gedeutet wurde, um daraus neue Zukunftsperspektiven zu gewinnen. Hosea weiß sonst nichts vom König David, einem Messias und vom Jerusalemer Tempelkult.
Die beiden widersprüchlichen Eheberichte haben der Exegese viele Rätsel aufgegeben: Welcher der beiden Berichte ist authentisch? Handelte es sich um dieselbe oder eine neue Ehe? War diese bloß symbolisch zu verstehen oder real? Von einer Scheidung von Gomer wird nichts berichtet. Walther Zimmerli nahm an, dass sie eine Tempelprostituierte war, da Hosea diese Praxis scharf kritisierte und für seine Gerichtspredigt verfolgt wurde (Hos 9,7b–8). Seine Treue zu der Ehebrecherin drückte aber bereits JHWHs Treue zu Israel gerade in seinem unausweichlichen Gerichtshandeln aus.
II. Kapitel 4–14 reiht Gottes- und Prophetenreden aneinander und redet mal das ganze Volk Israel, mal seine Priester und den König an oder beschreibt ihre Schuld in der dritten Person. Als komponierte Texteinheiten sind erkennbar:
Eine große Anklagerede wie in einem Gerichtsprozess umreißt die Thematik des ganzen Buches, eingeleitet mit: Höret, ihr Kinder Israel, JHWHs Wort! Sie zählt die Vergehen des Volkes auf: Denn es ist keine Treue, keine Liebe und keine Erkenntnis Gottes im Land, sondern Verfluchen, Lügen, Morden, Stehlen und Ehebrechen haben überhand genommen, und eine Blutschuld folgt der anderen. Maßstab sind hier die Zehn Gebote, wobei der Bruch des 1. Gebots, Gott allein zu lieben, alle weiteren Rechtsverstöße nach sich zieht. Dies hat tödliche Folgen für alle: Darum wird das Land verdorren, und alle seine Bewohner werden dahinwelken...
Die eigentlichen Verderber des Volkes aber seien die amtierenden Priester, die Gottes Tora vergäßen (4,6) und bestechlich seien: Sie nähren sich von den Sündopfern des Volkes und sind gierig nach seiner Schuld (4,8). Das schlechte Beispiel ihrer Tempelprostitution (4,14) – die in kanaanäischen Fruchtbarkeitsriten üblich war – stifte die übrige Bevölkerung zum Abfall von Gott an. Da ihnen das Recht anvertraut sei, müsse auf ihren Abfall unweigerlich der Fall aller folgen; dann werde die Suche nach Gott mit Opfern zu spät kommen (5,6).
Diese Rede ergänzt die Kultkritik mit scharfer Kritik an Israels Außenpolitik in der Zeit des Bruderkrieges zwischen Israel und Juda. Die illusorischen Bündnisse mit Assyrien brächten keine Sicherheit, und die oberflächliche Bereitschaft des Volkes zur Umkehr, die auf erste demütigende Niederlagen folgte, vergehe wie der Tau am Morgen. Gott bediene sich der Propheten, um Israel durch ihren Mund zu töten, bis sie endlich begreifen: Ich habe Gefallen an der Liebe und nicht am Opfer, an der Erkenntnis Gottes und nicht am Brandopfer. Die falsche Diplomatie nach außen war also für Hosea nur Kehrseite einer von Grund auf falschen Religionsausübung im Innern. Nicht nur das Opfern für fremde Götter, sondern das Opfern an den Kultorten JHWHs selber war für ihn die Wurzel allen Übels.
Diese Rede greift deshalb erneut die Priester an: Sie seien die Räuber, Mörder und Ehebrecher, die dem König nur nach dem Mund reden, dabei böse Pläne aushecken und den Niedergang des Staates verschulden. Des Königs törichtes Hin- und Herlaufen zwischen den Großmächten ändere nichts an dem Gericht, das allen bevorstehe: Denn das Gerede von Umkehr und die Selbstkasteiung – sie ritzen sich wund um Korn und Wein (Hos 7,14) – sei nichts als Lüge, dahinter verberge sich nur der Wunsch, Gott für eigene Zwecke einzuspannen: Das soll ihnen in Ägypten [von wo JHWH die Vorväter befreite] zum Spott werden.
In diese Gerichtsreden ist das einzige Heilswort eingebaut: Hos 11,8–11. Manche Exegeten vermuten hier einen ehemaligen Schluss des Buches.
Kap. 12–14 ist eine Art Zusammenfassung der hoseanischen Gerichtsverkündigung mit Abschlusscharakter und Einladung zur Umkehr nach dem Fall Samarias. Möglicherweise war das in einem früheren Stadium der Redaktion ein Anhang zu Kap. 4–11, eine Art Schlussdiskussion der Anhänger Hoseas.
Als Prophet des Nordreichs bezog sich Hosea ausschließlich auf dessen Traditionen, vor allem den Auszug aus Ägypten, die Wüstenwanderung und das 1. Gebot (Hos 13,4). Seine Gerichtspredigt war ebenso radikal wie die seines Zeitgenossen Amos. Auch Hosea verlangte soziale Gerechtigkeit und Gesellschaftsveränderung (Hos 10,12f), stellte aber die Kritik am Opferkult und den Priestern in den Vordergrund. Dabei knüpfte er an die ältere vorschriftliche Prophetie Elijahs an, der ebenfalls jede Synthese von Baal und JHWH als für Israel tödlichen Abfall ablehnte (1. Kön 18).
Hosea bezog diese Kritik aber nicht nur auf den neben der JHWH-Verehrung fortbestehenden Baalskult (2,11; 9,10; 11,2), sondern auf die traditionellen Tieropfer für JHWH selber, die Israels Gott wie Baal zum Garanten des Wohlergehens missbrauchten (Hos 4,15):
Selbst an den Orten und unter dem Vorwand der JHWH-Verehrung verbarg sich für ihn der „Götzendienst“. Das in Ex 32 als Blasphemie verurteilte Stierkalb aus Gold war wahrscheinlich kein Fremdgötterbild, sondern ein aus Kanaan übernommenes Symbol für die von JHWH erwartete Fruchtbarkeit des Landes (Hos 8,5; 10,5), dem Stiere geopfert wurden (Hos 12,12). Hosea verwarf im Namen des so angebeteten Gottes den Opferkult überhaupt (Hos 6,6):
„Denn ich habe Lust an der Liebe und nicht am Opfer, an der Erkenntnis Gottes und nicht am Brandopfer.“
Dem stand Hoseas politische Kritik in nichts nach. Er bezog sie nicht nur auf gewaltsame Umstürze und schwankende Außenpolitik der Könige Israels, sondern auf das Königtum überhaupt:
„All ihre Bosheit fing in Gilgal an, dort lernte ich sie hassen.“
In Gilgal war seinerzeit Saul zum ersten König Israels gewählt worden (1. Sam 11). Statt einen neuen König wie von Priestern und Propheten erwartet als Heilsbringer zu bejubeln, sah Hosea Thronfolgen und Thronwirren als Zeichen des göttlichen Gerichts (Hos 13,11):
„Ich gab dir einen König in meinem Zorn und nehme ihn dir wieder in meinem Grimm.“
Die in der Abhängigkeit von König- und Priestertum sichtbare Untreue des Volkes führe dessen sicheren Untergang herbei (13,9), hebe aber dennoch Gottes Treue zu ihm nicht auf (11,8). In den politischen Katastrophen Israels sah Hosea vielmehr Gott wieder so handeln, wie er in Israels Frühzeit an ihm gehandelt hatte: Nur die Rückführung nach „Ägypten“ (Hos 8,13; 11,1) und in die Wüste (Hos 5,9; 12,10), also eine neue Fremdherrschaft, die Israels eigenmächtige Institutionen und Führungsautoritäten entmachtete (Hos 7,16; 11,5), werde dieses Volk lehren, seiner Berufung zu folgen und allein seinem Gott zu vertrauen (Hos 10,2-3).
Wie später Jeremia (Jer 31,20) und Tritojesaja (Jes 63,15) betonte Hosea aber auch Gottes Leidenschaft für sein untreues Volk und sein Mitleiden an dessen Schicksal bis hin zum „Schmerz“ (Hos 11,8):
„Mein Herz ist andern Sinnes [auch übersetzbar mit: kehrt sich um in mir, schmerzt mich], all meine Barmherzigkeit ist entbrannt.“
Gerade diese Fähigkeit zur Reue und zum erneuten Erbarmen gegenüber dem Wankelmut und der Untreue des menschlichen Bundespartners sah Hosea als die unverwechselbare Identität dieses Gottes (Hos 11,9): Denn ich bin Gott und nicht ein Mensch!
Theologen wie Jürgen Moltmann und Wilfried Härle sehen in dieser prophetischen Theologie vom mitleidenden Schmerz Gottes eine notwendige Korrektur eines einseitigen Gottesbildes, das Gottes Wesen nur als Liebe ohne innere Bewegung, ohne Veränderung und Dramatik bestimmt. Gericht, Zorn, Verstoßung und erneute Annahme der geliebten Menschen seien untrennbare und unausweichliche Teilmomente dieser Liebe und machten ihren Realitätsgehalt in der Geschichtserfahrung Israels aus.
In der synagogalen Praxis wird an dem Schabbat zwischen Rosch Haschana und Jom Kippur die Haftara aus dem 14. Kapitel des Buches Hosea (Vers 2) vorgetragen. Die Lesung beginnt mit den hebräischen Worten Schuwa Jisrael: „Kehre um, Israel, zu dem Herrn, deinem Gott.“ Aufgrund dieser prophetischen Lesung erhielt dieser Schabbat auch seinen besonderen Namen Schabbat Schuwa = Schabbat der Umkehr und fügt sich damit in die zehn Tage der Umkehr zwischen Rosch Haschana und Jom Kippur ein.