Der Heilige Geist (griechisch Ἅγιον Πνεῦμα oder Πνεῦμα τὸ Ἅγιον, lateinisch Spiritus Sanctus) ist im Christentum die dritte Person der göttlichen Trinität, wie dies im wichtigsten altkirchlichen Bekenntnis, dem Nicäno-Konstantinopolitanum, formuliert wurde. Der Heilige Geist ist Gott, also keine eigenständige Substanz oder Gottheit. An Pfingsten feiert die Christenheit das Kommen des Heiligen Geistes. Bereits im Alten Testament ist vom Geist Gottes die Rede. Somit besteht ein Zusammenhang mit dem hebräischen Begriff rûah (Wind, Geist) im Judentum und dem arabischen rūḥ روح (Geist) im Islam. Andere Religionen und Traditionen weichen teilweise stark oder gänzlich vom christlichen Verständnis des Heiligen Geistes ab.
Im Tanach ist der Heilige Geist (Hebräisch: רוח הקודש, ruach ha-qodesh, wörtlich „heiliger Atem/Wind“; ruach JHWH – „Atem des Herrn“; ruach ha-Elohim – „Gottesatem“; ruchaká – „dein Atem“) die wirkmächtige Gegenwart Gottes im Leben der Menschen. Der Begriff ist insbesondere auf Israel und die Propheten bezogen, findet aber auch auf die ganze Schöpfung Anwendung.
Die Begriffskombination ruach ha-qodesh erscheint in den hebräischen Schriften einmal als ruach qodesho („sein heiliger Geist“, Jes 63,10-11 EU ) und einmal als ruach qodeshcha („dein heiliger Geist“) Ps 51,13 EU . Die Kombination von ruach mit dem Gottesnamen oder der Gottesanrede ist dagegen häufig. Zu den bedeutsamsten Aussagen zählen:
In Jesaja 63,14 EU erscheint „der Geist des Herrn“ gar unmittelbar neben „sein Heiliger Geist“ (ruach qodesho).
Weitere Aussagen finden sich in den Apokryphen, vor allem in der Weisheitsliteratur.
Im griechischen Neuen Testament erscheint der Begriff „Heiliger Geist“ (pneuma hagion; πνεῦμα ἅγιον) rund einhundertmal. Im Johannesevangelium wird er auch Paraklet (παράκλητος, „Tröster“, „Beistand“) genannt. Insbesondere folgende Stellen sind in der Theologie des Heiligen Geistes von größerer Bedeutung:
Das Christentum hat auch verschiedene alttestamentliche Stellen auf den Heiligen Geist bezogen, insbesondere die Weissagung, dass Gott seinen Geist über alle Menschen ausgießen wird in Joel 3,1-5 SLT ; und die Erwähnung in der Schöpfungsgeschichte: „Gottes Geist schwebte über dem Wasser.“ (Genesis 1,2 EU ) . Im weiteren Verlauf der biblischen Geschichte waren es einzelne Personen, die nach christlicher Auslegung besonders mit dem Geist Gottes erfüllt waren, z. B. Josua (Dtn 34,9 EU ) .
Ruach HaQodesh, der Heilige Geist, wörtlich „Heiliger Atem“, auch als Ruach JHWH „Atem Adonais“ bezeichnet, wird allegorisch gebraucht. Der Heilige Geist wird im Judentum nicht als göttliche Person betrachtet und dient auch nicht der Anrufung. Am ehesten lassen sich Parallelen im Zusammenhang mit dem Begriff næfæsch („Seele“, „Geist“, „Bewusstsein“) zu dem finden, was im Christentum unter Heiliger Geist verstanden werden kann.
Der Heilige Geist ist im Christentum „eins“ mit Gott-Vater und Gott-Sohn und wird zugleich als eine der drei Personen oder Hypostasen Gottes resp. als dritte Person des dreieinigen Gottes verstanden (siehe Dreifaltigkeit). Vor der Etablierung des trinitarischen Dogmas war dies umstritten, insbesondere bei der Gruppe der Pneumatomachen im 4. Jahrhundert. Heilig wird im Sinne von „göttlich“ gebraucht, um den Geist Gottes von anderen Geistwesen zu unterscheiden. In den Konfessionen ist die Sichtweise über den Heiligen Geist unterschiedlich.
Die Christen fast aller Kirchen feiern 50 Tage nach Ostern Pfingsten als den Tag, an dem die Jünger Jesu „mit dem Heiligen Geist erfüllt“ (Apg 2,4 EU ) und zur Verkündigung des Evangeliums bevollmächtigt wurden (Apg 2,11 EU , Apg 4,8-10 EU ).
Der sogenannte Filioque-Streit, das heißt die Auseinandersetzung, ob der Heilige Geist
war eine entscheidende Unstimmigkeit zwischen östlicher und westlicher Kirche und stellt noch heute einen wichtigen dogmatischen Unterschied zwischen der römisch-katholischen Kirche und den aus ihr erwachsenen reformatorischen Kirchen einerseits und den orthodoxen Kirchen andererseits dar. Die Westkirche hält im Allgemeinen an dem filioque fest, betont also Ursprung und Herkunft des Heiligen Geistes mittels einer Hauchung aus Gott Vater und Gott Sohn. Die Ostkirche bewahrt die ursprüngliche Textfassung des Nicäno-Constantinopolitanums und betont die Gott-Vater und Gott-Sohn gleichgestellte Göttlichkeit des Geistes.
Der Heilige Geist geht aus dem Vater und dem Sohn als einem einzigen Prinzip durch „eine einzige Hauchung“ hervor. Im Unterschied zum Sohn, der durch „Zeugung“ aus dem Vater hervorgeht, geht der Geist den Weg der Hauchung aus dem Vater und dem Sohn.
Die römisch-katholische Kirche kennt wie die ortohodoxen Kirchen das Sakrament der Firmung oder Salbung. Darin empfängt der Firmling oder Gesalbte die sieben Gaben des Heiligen Geistes, welche dessen zwölf Früchte hervorrufen sollen. Im Katholizismus wird die Firmung Jugendlichen meist im Alter von 11 bis 16 Jahren durch einen Bischof gespendet, im Gegensatz zu den orthodoxen Kirchen, wo sie sofort nach der Taufe durch den Priester gespendet wird.
Die anglikanische Kirche ist aus der westlichen Tradition hervorgegangen; ihr Credo enthält darum das Filioque. Mit Blick auf die Orthodoxie und nach vorbereitenden Beschlüssen der Lambeth-Konferenz 1978[1] und 1988[2] beschlossen die Primasse der verschiedenen Kirchenprovinzen 1993, dass in künftigen Ausgaben liturgischer Bücher das Filioque nicht mehr verwendet werden solle.[3] Die amerikanische Episcopal Church fasste für sich 1994 denselben Beschluss.[4] Beide Beschlüsse blieben folgenlos.[5]
Auch in der anglikanischen Kirche wird die Firmung vom Bischof durch Auflegen der Hände gespendet, damit der Firmling im Heiligen Geist gestärkt wird.
Von ihrer gemeinsamen Wurzel her sind die evangelischen Kirchen vom Filioque ähnlich geprägt wie die katholische Kirche.[6]
In der kirchlichen Praxis spielt das Handeln des Heiligen Geistes eine zentrale Rolle bei der Konfirmation, die seit der Ziegenhainer Zuchtordnung von 1539, beeinflusst von Martin Bucer, von Hessen aus ihren Siegeszug durch die evangelischen Landeskirchen angetreten hat.
Aus dem reformatorischen Christentum hervorgegangene Bewegungen, die die Erfahrung mit dem Heiligen Geist und die Lehre über ihn stark betonen, sind ab 1906 die Pfingstbewegung (s. u.) und seit den 1960er Jahren die Charismatischen Erneuerungsbewegungen.[7]
Im 20. Jahrhundert kam es im evangelischen Bereich zur Bildung neuer Gemeinschaften, die sich meistens verselbständigten; diese Vorgänge werden zusammenfassend als Pfingstbewegung bezeichnet,[8] besonders in den USA. Mittlerweile verzeichnen diese in Afrika, Asien und Südamerika den größten Zulauf an Mitgliedern. Das Wirken des Heiligen Geistes wird in ihnen antihierarchisch verstanden. Daher sind die einzelnen Gemeinden am Ort unabhängig und selbständig. Betont werden:
Einige christliche Konfessionen sprechen statt von Salbung oder Firmung von der Versiegelung mit dem Heiligen Geist (Katholisch-apostolische Gemeinden, Neuapostolische Kirche).
Christliche Glaubensgemeinschaften, die nicht an das Dogma der Dreifaltigkeit glauben (Nichttrinitarier),sehen den Heiligen Geist nicht als Person, sondern als Gottes wirksame Kraft.
Nach sunnitischer Auffassung des Islam wird der Erzengel Djibril auch als Ruh al-Qudus / روح القدس / ‚Geist der Heiligkeit‘ bezeichnet. Der Trinitätsbegriff des Christentums wird von islamischer Seite vielfach insofern interpretiert, als er eine Gott-Dreiheit, bestehend aus dem Schöpfer, Jesus und Maria, daher also Schirk (Beigesellung eines anderen Wesens neben Gott) darstelle, was einem Vielgötterglauben entspreche.[9]
Vergleiche hierzu die islamische Sichtweise der Dreifaltigkeit und Gabriel (Erzengel).
Zum Begriff des Heiligen Geistes bestehen Parallelen in anderen Religionen. Das Konzept „Hagion pneuma“ findet sich in sehr ähnlicher Form bereits in vorchristlicher Zeit in griechischen und altindischen religiösen und philosophischen Abhandlungen.
Das schamanische Pantheon kennt bei manchen Völkern ebenfalls höchste Geistwesen, denen alle anderen geistigen Entitäten untergeordnet sind. Dies ist aber bei den verschiedenen nord- und zentralasiatischen Völkern nicht durchgängig der Fall.
Der einflussreichste Text über den Heiligen Geist überhaupt ist die 79 Kapitel umfassende Spätschrift des Basilius von Caesarea „Peri tou hagiou pneumatos“ („Über den Heiligen Geist“). Weitere wichtige Texte der Alten Kirche sind die fünfte theologische Rede „Über den Heiligen Geist“ von Gregor von Nazianz und „De Trinitate“ von Augustinus von Hippo.
Es gibt zahlreiche traditionelle Hymnen, in denen der Heilige Geist direkt angeredet wird, beispielsweise Nunc, Sancte, nobis Spiritus von Ambrosius von Mailand, Veni, sancte spiritus Komm herab, o Heilger Geist (Pfingstsequenz aus dem Messbuch), Komm, Schöpfergeist oder Veni Creator Spiritus von Rabanus Maurus, Komm, Heiliger Geist, Herre Gott nach der Pfingstantiphon Veni Sancte Spiritus, imple tuorum corda fidelium, fortgesetzt von Martin Luther, Zieh ein zu deinen Toren von Paul Gerhardt, Weihe an den Heiligen Geist (nach Pius X.), oder Heiliger Geist, der Sieg ist Dein (von Pius XI.). Im lateinamerikanischen Katholizismus ist es darüber hinaus seit rund 30 Jahren eine Tradition, in Tageszeitungen ein Dankgebet an den Espíritu Santo zu schalten. Im Gegensatz zu den Westkirchen sind in den orthodoxen Kirchen liturgische Gebete zum Heiligen Geist im Gebrauch.
Thomas C. Oden[10] führt die folgenden neutestamentlichen Symbole und Metaphern für den Heiligen Geist auf, die von den Kirchenlehrern aufgegriffen wurden:
Die Verehrung des Heiligen Geistes in der Geschichte schlägt sich in einer Vielzahl von Gemeinschaftsgründungen wie den Spiritanern, den Dienerinnen des Heiligen Geistes oder dem Orden vom Heiligen Geist und entsprechenden Patrozinien nieder. Insbesondere auf die Brüder vom Orden des Heiligen Geistes, die sich vor allem der Krankenpflege widmeten, gehen Gründungen von Kirchen, Klöstern und Hospitälern zurück, die dem Heiligen Geist gewidmet wurden.
Feiertag des Patroziniums ist Pfingsten.