Die Erzabtei Sankt Ottilien (lat. Archiabbatia Ottiliensis) ist ein Kloster der Missionsbenediktiner im oberbayerischen Landkreis Landsberg am Lech (nahe dem Ammersee), der zur Diözese Augsburg gehört. Das Kloster bildet mitsamt den umliegenden Gebäuden den Gemeindeteil Sankt Ottilien (bis 1904 Emming) der Gemeinde Eresing. [1]
Die Erzabtei ist das Stammkloster der Ottilianer Kongregation. Sie wurde 1884 von dem Schweizer Andreas Amrhein gegründet. Dem gesamten Klosterverband gehören 1100 Mönche in 19 Ländern an, davon leben etwa 110 Mönche in St. Ottilien. [2]
Die Wallfahrt zur Heiligen Ottilia in Emming ist bereits seit 1365 sicher nachgewiesen. Im 16. Jahrhundert wurde Emming zu einem Herrensitz ausgebaut. Es entstand die Ottilienkapelle und ein kleines Schloss. Im 17. Jahrhundert wurden Schloss und Kapelle barockisiert. Das Gut wechselte im Laufe der Zeit mehrmals seinen Besitzer; das Schloss wurde 1884 abgerissen. Schließlich erwarb Andreas Amrhein, ein Benediktiner der Erzabtei Beuron, 1886 den herrenlosen Weiler und gründete 1887 Sankt Ottilien.
Amrhein hatte seine Vision, das benediktinische Leben mit einem Einsatz in der Mission zu verbinden, innerhalb der Beuroner Kongregation nicht verwirklichen können; daher begann er unabhängig von Beuron eine eigene Gründung. Nach einer ersten Gründung in Reichenbach 1884 wurde die Gemeinschaft 1887 nach Emming verlegt. Das Kloster nannte sich nach dem Wallfahrtsort Sankt Ottilien (der Ortsname Emming wurde 1904 aufgegeben). Ebenfalls 1887 konnte bereits eine erste Gruppe von Mönchen als Missionare nach Afrika entsandt werden.
1902 wurde Sankt Ottilien zur Abtei erhoben. Nach Gründung dreier weiterer Abteien wurde Sankt Ottilien 1914 Erzabtei der Missionsbenediktiner; Seither – von 1914 an bis Oktober 2012 – war der Erzabt von Sankt Ottilien auch immer zugleich Leiter der Benediktinerkongregation von Sankt Ottilien.
Bis 1930 wuchs das Kloster stark (weitere Missionsgebiete Südafrika, Korea, China). Sankt Ottilien wurde in dieser Zeit ausgebaut, um den auf 396 Mönche angewachsenen Konvent aufzunehmen. 1941 wurden die Mönche von der Gestapo vertrieben; sie konnten erst nach Kriegsende 1945 zurückkehren. Bis 1948 gab es in Sankt Ottilien ein DP-Lager, gegründet von dem litauisch-jüdischen Arzt Zalman Grinberg, in dem aus Konzentrationslagern befreite Häftlinge versorgt wurden. Unmittelbar neben dem Klosterfriedhof befindet sich ein jüdischer Friedhof, in dem 76 Tote beerdigt worden sind.[3]
Neben den Aufgaben in der Mission und die damit verbundene Entwicklungshilfe in Ländern der Dritten Welt führt das Kloster ein großes Exerzitienhaus, einen eigenen EOS-Verlag, eine stattliche Landwirtschaft, das Rhabanus-Maurus-Gymnasium Sankt Ottilien für etwa 700 Schüler mit angeschlossenem Tagesheim und Internat und mehrere handwerkliche Betriebe. Ebenso betreibt das Kloster einen kleinen Sportplatz und einen Jugendzeltplatz.
Die Klosterkirche (Patrozinium Herz Jesu) wurde von 1897 bis 1899 erbaut. Ihr spitzer, 75 Meter hoher Turm ist bereits aus großer Entfernung zu sehen. Das dreischiffige Gotteshaus wurde im Stil der Neugotik errichtet und 1903 geweiht. Der Kirchenbau wurde – wohl aufgrund von Protesten der umliegenden Gemeindepfarreien – um ein Gewölbe kürzer ausgeführt als ursprünglich geplant.
Der Klausurbereich wurde nach Plänen des Klostergründers ebenfalls im neugotischen Stil errichtet. Der Bau begann im Jahr 1892. Schon 1910 machte das rasche Anwachsen der Gemeinschaft den Bau eines weiteren Traktes nötig, der im Jugendstil gehalten ist und südlich der Klosterkirche liegt. In diesem befindet sich das 1911 eingerichtete Missionsmuseum. Im Westen schließt sich seit 1955 ein Trakt mit Wohnzellen, Verwaltungsräumen und einem Gästebereich an.
In der Nähe der Klosterkirche befindet sich das „Ottilienheim“, das als Gästehaus dient. Ebenfalls der Aufnahme von Gästen dient das ihm stirnseitig gegenüberliegende Exerzitienhaus, das unmittelbar an die Reste des ehemaligen Gutes Emming angebaut wurde. Dieser alte, noch vorklösterliche Gebäudeteil schließt an die barocke Ottilienkapelle an. Das Exerzitienhaus wurde zunächst nur im Sommer für Exerzitien genutzt und beherbergte im Winter die Schüler der früher dort befindlichen Landwirtschaftsschule.
Seit 1994 beherbergt die Kirche zwei Instrumente aus der renommierten Orgelbauwerkstatt Hubert Sandtner (Dillingen a. d. Donau): Eine Hauptorgel mit drei Manualen und Pedal (47 Registern) und eine Chororgel mit zwei Manualen und Pedal (17 Registern). Das Haupt- und das Pedalwerk der Chororgel stehen auf der Ostempore des nördlichen Querhausarmes, das Schwellwerk gegenüber auf der Westempore des Querhauses. Beide Orgeln können aufgrund einer Glasfaserkabelverbindung vom Spieltisch der Hauptorgel aus in allen Einzelregistern gespielt werden. Umgekehrt ist es vom Spieltisch der Chororgel aus möglich, bestimmte Teilwerke der Hauptorgel erklingen zu lassen.
Hauptorgel
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Chororgel
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In der offenen Kirchenglockenstube befindet sich ein achtstimmiges Großgeläut, das zu den tontiefsten Glockenensembles Süddeutschlands zählt.[5] Außerdem ist es das tontiefste Geläute des Bistums Augsburg. Alle acht Kirchenglocken wurden von Karl Czudnochowsky (Erding) gegossen, die große Hosanna 1949 als einzige aus „Euphon“ (Kupfer-Zink-Legierung), die übrigen Glocken 1950 aus Glockenbronze. Sie hängen im Stahlglockenstuhl an geraden Stahljochen. Die ausführliche Läuteordnung berücksichtigt die musikalische Kombinationsvielfalt der Glocken. Feste Läutetermine unter der Woche sind das Angelusläuten morgens, mittags und abends mit der Annuntiata, das Gedächtnis an das Ölberggebet und die Todesangst Christi am Donnerstagabend mit der Gloriosa sowie die Erinnerung an das Leiden Christi am Kreuz freitags um 11 Uhr mit Gloriosa und Ottilia. Das Vollgeläut ist nur zu den höchsten Festtagen (Festum Summum) zu hören: Heiligabend und Weihnachtstag, Erscheinung des Herrn, Osternacht und Ostersonntag sowie am Herz-Jesu-Fest und Pfingstsonntag. Dabei wird nach clunyazensischer Art geläutet: 22 Minuten vor Beginn des Pontifikalamtes läuten alle Glocken zusammen; die kleineren Glocken schwingen dann aus, bis schließlich nur die Hosanna alleine erklingt. Der Reihe nach werden nun alle acht Glocken einzeln geläutet, bis schließlich die kleine Kapitelsglocke ertönt. Die übrigen, größeren Glocken fallen nun nacheinander wieder ein, bis schließlich wieder das Gesamtgeläut erklingt.
Nr. |
Name |
Nominal (HT-1/16) |
Gewicht (kg) |
Ø (mm) |
Liturgische Funktion (solistisch) |
1 | Hosanna – Salvatorglocke | fis0 +1 | 5250 | 2180 | Festum Summum/Hochfeste 1. Ordnung, Sterbeglocke Mönche, Angelus (Ostersonntag) |
2 | Gloriosa – Benediktusglocke | a0 –1 | 3600 | 1830 | Sonntage Weihnachts-/Osterzeit/Hochfeste 2. Ordnung |
3 | Assumpta – Jubiläumsglocke | h0 –1 | 2250 | 1580 | Sonntage im Advent/in der Fastenzeit/im Jahreskreis, Angelus (Osterzeit) |
4 | Annuntiata – Angelusglocke | cis1 ±0 | 1750 | 1430 | Angelus, Werktage Weihnachts-/Osterzeit, Sterbeglocke Gemeinde |
5 | Ottilia | e1 +1 | 1050 | 1190 | Werktage Jahreskreis |
6 | Bartholomäus – Apostelglocke | fis1 +1 | 650 | 1020 | Werktage im Advent/in der Fastenzeit |
7 | Ulrich | gis1 +1 | 450 | 880 | Vigil (außer an Hochfesten) |
8 | Burkard – Kapitelsglocke | h1 +1 | 350 | 800 | Komplet |
Die fünf größten Glocken tragen folgende Inschriften:
Das Kloster nahm an der Klosterstudie teil. Nach den Ergebnissen leben Nonnen und Frauen der Allgemeinbevölkerung annähernd gleich lang, dicht gefolgt von Mönchen die eine im Schnitt ein bis zwei Jahre kürzere Lebenserwartung haben als beide Frauengruppen. Deutlich abgeschlagen Männer der Allgemeinbevölkerung die im Schnitt sechs Jahre kürzer leben als Nonnen und Frauen der Allgemeinbevölkerung und bis zu viereinhalb Jahre kürzer als Mönche.[6][7]
Ab den 1870er Jahren gab es Planungen für eine Bahnstrecke von Mering zum Ammersee und nach Weilheim, die zwei Kilometer östlich des Klosters Sankt Ottilien über Türkenfeld geführt werden sollte. Das Kloster setzte sich jedoch für eine Streckenführung direkt über Sankt Ottilien ein. Da es den benötigten Grund dafür abtrat, entschied sich das Eisenbahnbaukomitee schließlich für diese Streckenführung. Am 30. Juni 1898 wurde die als Ammerseebahn bezeichnete Strecke, die östlich am Kloster entlangführt, eröffnet. Sankt Ottilien erhielt einen eigenen Haltepunkt mit Ladegleis. Er ist der einzige Bahnhof in Deutschland, der seit seiner Eröffnung und bis heute nur der Anbindung eines Klosters dient. Das 1939 neu errichtete Empfangsgebäude steht unter Denkmalschutz.[8]