Die Elisabethkirche in Marburg wurde ab dem 14. August 1235 am Fuß des Marburger Schlossberges errichtet. Der Deutsche Orden baute sie unter maßgeblicher Förderung der Landgrafen von Thüringen zu Ehren der heiligen Elisabeth von Thüringen. Die Hallenkirche wurde über Elisabeths Grabmal errichtet, was die Kirche zu einem bedeutenden Wallfahrtsort des späten Mittelalters machte. Der Enkel der heiligen Elisabeth, Landgraf Heinrich I., baute bereits 1286 nach ihrem Vorbild die Liebfrauenkirche in Frankenberg.
Die Elisabethkirche ist der erste rein gotische Kirchbau im deutschen Kulturgebiet. Besonders drei weitere Bauten werden in diesem Zusammenhang oft genannt:
Die Kirchtürme der Elisabethkirche sind etwa 80 m hoch. Gekrönt werden die beiden Türme von einem Stern (Nordturm) und einem Ordensritter (Südturm). Der Sandsteinbau hat einen kreuzförmigen Grundriss, wobei die Halle aus drei Schiffen besteht, die jeweils über 20 m Gewölbehöhe erreichen, und in einen dreigliedrigen Chorbau aus Elisabethchor, Hohem Chor und Landgrafenchor mündet. Dazwischen befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Hochaltar die durch einen steinernen, 1343 errichteten Lettner vom Hauptschiff abgetrennte Vierung. Auf dem Kreuzaltar vor dem Lettner steht ein Kruzifix von Ernst Barlach, das der Kirche 1931 zum 700. Todestag Elisabeths gestiftet wurde.
Der Hochaltar der Kirche aus dem Jahr 1290 ist aus Sandstein gefertigt. Er zeigt wie Maria von weiblichen Heiligen (rechts) und männlichen Heiligen (links) verehrt wird. Die mittleren Glasfenster hinter dem Hochaltar im hohen Chor gehören zu dem 1249 geweihten Teil der Kirche und sind bedeutende Werke der Glasmalerei.
Im nördlichen Kreuzarm befindet sich das um 1250 entstandene Mausoleum Elisabeths mit einem um 100 Jahre jüngeren Sarkophag, dessen Reliefschmuck die Aufbahrung Elisabeths im Beisein Christi und zahlreicher Würdenträger darstellt.
Der gotische, reich geschmückte Elisabethschrein in der um 1326 errichteten Sakristei ist der wichtigste Schatz der Kirche, daneben können andere Exponate aus der Sakralkunst besichtigt werden. Der Schrein wurde 1235 begonnen. Das mit einem Satteldach geschlossene Gehäuse ist in der Mitte von einem Querschiff durchbrochen. Es befinden sich auf dem Querbalken Figuren von Christus, Maria, Elisabeth und eine Kreuzigungsgruppe, die Langseiten zeigen die zwölf Apostel sowie Darstellungen aus dem Leben der Landgräfin.
Elisabeth gründete 1228 in Marburg das Hospital, in dem sie bis zu ihrem Tod 1231 Kranke und Bedürftige versorgte. In der Hospitalkapelle, die dem heiligen Franz von Assisi geweiht war und möglicherweise selbst der Beherbergung Kranker diente, wurde sie bestattet. Sofort setzte ein Pilgerstrom ein und zahlreiche Heilungswunder wurden bezeugt. 1234 erlangte Elisabeths Schwager Konrad von Thüringen die Übereignung des Hospitalkomplexes mit Franziskuskapelle und Elisabethgrab an den Deutschen Orden. Dieser betrieb den planvollen Ausbau des Wallfahrtsortes. Mit dem Bau der großen Elisabethkirche wurde im Jahr der Heiligsprechung Elisabeths (1235) begonnen. Die Kirche wurde so angelegt, dass die Hospitalkapelle abgetragen werden musste und Elisabeths Grabstätte in der Nordkonche der neuen Kirche zu liegen kam.[1] Am 1. Mai 1236 erfolgte im Beisein Kaiser Friedrichs II. die feierliche Erhebung der Gebeine und ihre Umbettung in einen kostbaren Schrein sowie in verschiedene weitere Reliquiare.
Die Elisabethkirche wurde 1283 geweiht. Die Arbeiten an den beiden Türmen zogen sich noch bis 1340 hin. Einige Gebäude des Ordens, das sogenannte Deutschhausgut, befinden sich noch heute an der Kirche. Dort sind jetzt u. a. das Mineralien-Museum und der Fachbereich Geographie der Philipps-Universität untergebracht. Ursprünglich sollte die Kirche Maria der Mutter Jesu geweiht werden.
In der Kirche soll der selige Christian von Preußen bestattet sein.
Bis ins 16. Jahrhundert war die Elisabethkirche Grablege der Landgrafen von Hessen. 1539 ließ Landgraf Philipp der Großmütige die Gebeine der heiligen Elisabeth entfernen, um die Pilger aus dem protestantischen Marburg zu vertreiben. Reliquien Elisabeths befinden sich heute im Elisabethkloster in Wien, im Stadtmuseum von Stockholm, im Schloss Sayn (Armreliquiar) sowie in der slowakischen Stadt Košice.
Der vordere Bereich des Kirchenraumes war früher den Ordensrittern vorbehalten. Im Laufe des 16. Jahrhunderts konvertierten die einstmals katholischen Ordensbrüder fast alle zum Protestantismus, so dass in der Elisabethkirche nun der evangelische Gottesdienst gefeiert wurde. Den größten Teil des ursprünglich reichen Figurenschmucks ließ Landgraf Moritz 1605 zerstören. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Kirche kurzzeitig ein Simultaneum, d. h. es fanden räumlich getrennt sowohl katholische als auch protestantische Gottesdienste statt.
Zwischenzeitlich 1945 wurden die Särge der preußischen Könige Friedrich II. und Friedrich Wilhelm I. in einem thüringischen Salzbergwerk eingelagert und von der US-Armee von Thüringen in die Elisabethkirche verbracht und kamen 1952 – auf Initiative von Louis Ferdinand von Preußen – in die Kapelle der Burg Hohenzollern.
In der Nordturmkapelle der Elisabethkirche befindet sich das Grab des früheren Reichspräsidenten Paul von Hindenburg und seiner Frau Gertrud. Beide waren 1934 im Tannenberg-Denkmal in Ostpreußen beigesetzt worden. Um zu verhindern, dass die Leichen in die Hände der Sowjetischen Truppen fallen, ließ Hitler am 12. Januar 1945, einen Tag vor Eröffnung der Schlacht um Ostpreußen durch die Rote Armee, die Särge des Ehepaares von Einheiten der Wehrmacht aus dem Denkmal schaffen und von Königsberg mit dem Leichten Kreuzer Emden nach Pillau transportieren, von wo aus sie das Passagierschiff Pretoria nach Stettin brachte. Bei Kriegsende befanden sich beide Särge in einem Salzbergwerk in Thüringen, wo sie im Sommer 1945 von Einheiten der US-Armee entdeckt wurden. Im August 1946 wurden die Särge in der Turmhalle der Elisabethkirche beigesetzt.
2004 erhielt die Kirche einen Ambo, den der Bildhauer Johannes Kirsch aus Petersberg geschaffen hatte. Er fertigte auch den Osterleuchter der Kirche.
Die Evangelische Elisabethkirchengemeinde umfasste im Jahr 2013 rund 4800 Mitglieder und gehört zum Kirchenkreis Marburg. Das Gebiet erstreckt sich über die Marburger Innenstadtteile Altstadt, Grassenberg, Ortenberg, Nordviertel und Waldtal. Die Elisabethkirche verfügt über drei Gemeindepfarrstellen und eine Besucherpfarrstelle. Darüber hinaus ist sie Predigtkirche des Probsts von Waldeck-Marburg. Von der Gemeinde wird ein Kirchenkiosk sowie ein Gästehaus für Pilger betrieben. Daneben gibt es im Bereich der Kirchenmusik viele Angebote, wie beispielsweise die Kantorei und den Posaunenchor der Elisabethkirche.
Die moderne Ergänzung des historischen Glockenbestandes geschah durch den Neuguss der vier Glocken der Glockengießerei Rincker aus Sinn (Hessen) in den Jahren 1965/66. Die älteste Glocke ist die Marienglocke aus der Zeit um 1280. Die um 1380 gegossene Elisabethglocke stellt eine der klangschönsten Glocken des ausgehenden 14. Jahrhunderts in Deutschland dar. Die kleine Silberglocke hängt im Dachreiter. Im Elisabethchor steht noch die ehemalige und derzeit gesprungene Paternosterglocke aus dem Jahre 1320.
Nr. |
Name |
Gussjahr |
Gießer |
Durchmesser (mm) |
Masse (kg) |
Schlagton (HT-1/16) |
Läuteordnung (solistisch) |
1 | Elisabethglocke | um 1380 | unbekannt | 1770 | 3700 | cis1 –2 | Walpernläuten (30. April, 12:00/12:20/12;40 Uhr jeweils 10 Min. Das Mittagsläuten fällt aus) |
2 | Vesperglocke | 1965 | Glockengießerei Rincker | 1220 | 1118 | e1 ±0 | Abendläuten (19 Uhr), Beerdigung |
3 | Friedensglocke | 1965 | Glockengießerei Rincker | 1080 | 794 | fis1 +1 | Mittagsläuten (12 Uhr), Friedensgebet (8. Mai) |
4 | Vaterunserglocke | 1966 | Glockengießerei Rincker | 950 | 491 | a1 +3 | Vaterunser |
5 | Marienglocke | um 1280 | unbekannt | 990 | 670 | h1 +3 | Lichtmess (2. Februar) |
6 | Frühglocke | 1965 | Glockengießerei Rincker | 790 | 343 | cis2 +2 | Morgenläuten (7 Uhr) |
7 | Bruder-Dietrich-Glocke | um 1420 | unbekannt | 780 | 310 | dis2 +3 | Mittagsläuten an Festtagen |
8 | Taufglocke | um 1420 | unbekannt | 192 | fis2 | Taufe/Taufhandlung | |
9 | Silberglocke | 1515 | Hans Kortrog zu Homberg | 85 | fis2 | Elisabethgedenktage (19. November/1. Mai, 15 Uhr) | |
10 | Paternosterglocke | 1320 | unbekannt | 470 | (a1) | (seit dem 30. Dezember 1965 gesprungen) |
Die Orgel wurde 2006 von Johannes Klais Orgelbau fertiggestellt. Sie besitzt 57 Register auf 3 Manualen und Pedal. Die Spieltraktur ist mechanisch, die Registertraktur ist mechanisch/elektrisch. Die Orgelweihe fand am 5. November 2006 statt. Die Orgel steht am selben Standort wie ihr Vorgängerinstrument, nämlich vor dem Elisabeth-Fenster. Jedoch wurde die Orgelempore angepasst und das Instrument aus akustischen Gründen leicht nach vorne versetzt. Der Prospekt der Orgel nimmt einige Farben des Elisabeth-Fensters auf. Die Disposition lautet folgendermaßen:
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Auf dem Gelände vor dem Hauptportal fanden ab Juni 2006, im Vorfeld einer geplanten Umgestaltung, umfangreiche archäologische Arbeiten statt, bei denen neben Überresten von Gebäuden des Deutschen Ordens zahlreiche Pilgergräber und Ruhestätten von Angehörigen des Ordens auf einem in Vergessenheit geratenen Begräbnisgrund freigelegt wurden.
2007 wurde aus Anlass des 800. Geburtstages von Elisabeth von Thüringen das „Elisabeth-Jahr“ begangen.
Neben der bereits erwähnten Liebfrauenkirche in Frankenberg, welche vermutlich aus derselben Bauhütte stammt und auf die die Elisabethkirche den wohl größten architektonischen Einfluss hatte, stand sie noch Modell für einige weitere Kirchenbauten aus dem 19. und sogar 21. Jahrhundert:
Die Elisabethkirche wird in Marburg umgangssprachlich auch als „E-Kirche“ bezeichnet.