Strukturformel | |||||||||||||||||||||
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Keine Zeichnung vorhanden | |||||||||||||||||||||
(+)-Campher (links) und (–)-Campher (rechts) | |||||||||||||||||||||
Allgemeines | |||||||||||||||||||||
Name | Campher | ||||||||||||||||||||
Andere Namen |
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Summenformel | C10H16O | ||||||||||||||||||||
CAS-Nummer |
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ATC-Code | |||||||||||||||||||||
Kurzbeschreibung |
farbloser Feststoff mit aromatischem Geruch[1] | ||||||||||||||||||||
Eigenschaften | |||||||||||||||||||||
Molare Masse | 152,23 g·mol−1 | ||||||||||||||||||||
Aggregatzustand |
fest | ||||||||||||||||||||
Dichte |
1 g·cm−3 [(±)-Campher] [1] | ||||||||||||||||||||
Schmelzpunkt | |||||||||||||||||||||
Siedepunkt |
209 °C [(±)-Campher][1] | ||||||||||||||||||||
Löslichkeit |
löslich in Wasser (1,5 g·l−1 bei 20 °C)[1] | ||||||||||||||||||||
Sicherheitshinweise | |||||||||||||||||||||
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MAK | |||||||||||||||||||||
Toxikologische Daten | |||||||||||||||||||||
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. |
Campher bzw. Camphora (fachsprachlich, standardsprachlich: Kampfer) ist ein farbloser Feststoff. Er ist ein bicyclisches Monoterpen-Keton und leitet sich formal vom Bornan ab. Es gibt zwei Enantiomere des Camphers, (+)-Campher [Synonym: (1R,4R)-Campher] und (−)-Campher [Synonym: (1S,4S)-Campher]. Die Struktur wurde von Julius Bredt aufgeklärt.
Campher kommt in verschiedenen Gewächsen natürlich vor und wird industriell synthetisch hergestellt. Er ist arzneilich wirksam, in missbräuchlicher Dosierung psychoaktiv und toxisch und als Gefahrstoff geringerer Gefährlichkeit eingestuft, und wird unter anderem als Bestandteil verschiedener technischer und medizinischer Produkte eingesetzt.
Campher ist in Europa als (destilliertes) Harz eines Kampferbaums (bis ins 16. Jahrhundert Dryobalanops aromatica, ab dem 16. Jahrhundert vor allem Cinnamomum camphora)[6] seit der Spätantike (5. Jahrhundert) unter dem griechischen Namen kaphoura (καφουρά) bekannt, der auf Sanskrit karpura (‚weiß‘) bzw. Prakrit kappura zurückgeht. Der indische Name wiederum entstand durch Entlehnung aus einer austronesischen Sprache Sumatras.
Beide Enantiomere des Camphers [(+)-Campher bzw. (−)-Campher] sowie das Racemat (±)-Campher kommen in der Natur vor.[7] Campher findet sich hauptsächlich in den ätherischen Ölen von Lorbeergewächsen, Korbblütlern und Lippenblütlern. (+)-Campher kommt in der Rinde und im Harz des Kampferbaums (Cinnamomum camphora) vor, eines immergrünen Baums, der hauptsächlich in Asien wächst.[7]
Campher ist ein farbloses oder weißes, meist krümeliges und brockig zähes Pulver aus wachsweichen Kristallen. Mit Ethanol können rhomboedrische Kristalle erzeugt werden. Beim Abschrecken geschmolzenen Camphers bilden sich kubische Kristalle. Campher hat einen charakteristischen, starken, wohlriechenden, aromatisch-holzigen, eukalyptusartigen Geruch. Der Geschmack ist scharf und bitter, auch leicht kühlend wie bei Menthol. Er schmilzt bei 179 °C[1] und siedet bei 209 °C.[1] In Wasser ist das Pulver kaum löslich (1,5 g pro Liter Wasser);[1] in Ethanol hingegen löst es sich gut. Außerdem ist es sehr leicht löslich in Petrolether, leicht löslich in Ether, Aceton, Chloroform und in fetten Ölen und sehr schwer löslich in Glycerol. Es bildet mit Ethanol farblose Lösungen, aus denen sich, wenn Wasser hinzugegeben wird, der Campher wieder abscheidet. Die Dichte beträgt 0,96 g/cm3. Campher ist leicht flüchtig und sublimiert schon bei Zimmertemperatur. Er verbrennt mit rußender Flamme. Beim Campher ist die molare Schmelzpunkterniedrigung auffällig groß, sie beträgt 39,7 K·(kg/mol). So verflüssigt sich Campher bereits, wenn er in Kontakt mit Menthol, Naphthol oder Chloralhydrat kommt. Der spezifische Drehwinkel beträgt +48 °.
Bei der Reduktion von Campher mit Natriumborhydrid oder Lithiumaluminiumhydrid entsteht vorwiegend das Stereoisomer Isoborneol:[8]
Diastereoselektivität der Reduktion von (1R,4R)-(+)-Campher zu (1R,2R,4R)-Isoborneol (ca. 95 %) und (1R,2S,4R)-Borneol (ca. 5 %). |
Campher ist schwach wassergefährdend (WGK 1).
Campher bildet bei erhöhter Temperatur entzündliche Dampf-Luft-Gemische. Die Verbindung hat einen Flammpunkt bei 77 °C. Der Explosionsbereich liegt zwischen 0,6 Vol.‑% (38 g/m3) als untere Explosionsgrenze (UEG) und 4,5 Vol.‑% (280 g/m3) als obere Explosionsgrenze (OEG).[1] Die Zündtemperatur beträgt 460 °C.[1][9] Der Stoff fällt somit in die Temperaturklasse T1.
Campher wirkt auf das zentrale Nervensystem und die Niere, in höheren Dosen auch auf das Atemzentrum. Er ist durchblutungsfördernd und schleimlösend, führt aber auch zu Übelkeit, Angst, Atemnot und Aufgeregtheit. In Überdosis oral eingenommen, kommt es zu Verwirrtheits- und Dämmerzuständen, Depersonalisation, extremen Déjà-vu-Erlebnissen, Panik und akuten tiefgreifenden Störungen des Kurzzeitgedächtnisses bis hin zu Amnesie und epileptischen Anfällen. Die tödliche Dosis für einen Erwachsenen liegt bei 0,1 g/kg Körpermasse.[10] Der Metabolismus geht zunächst zum vom Campher abgeleiteten Alkohol 2-Borneol, welcher in der Leber weiter zum Glucuronid umgewandelt wird. Dieses wird schließlich über den Harn ausgeschieden.[11]
Campher wird in Feuerwerkskörpern, teilweise in Sprenggelatine und in Mottenabwehrmitteln verwendet. Außerdem wird er für die Celluloidproduktion und als Weichmacher für Celluloseester verwendet.
In der Bienenpflege findet Campher als von der EU zugelassener Wirkstoff gegen Milbenbefall eine Anwendung und wird oftmals auch in entomologischen Sammlungen zur Desinfektion und zum Schutz vor Sammlungsschädlingen genutzt. Auch in Sturmglasbarometern findet er Verwendung.
Wegen seiner hohen kryoskopischen Konstanten von 39,7 K·(kg/mol) wurde Campher früher zur Bestimmung der Molmasse nach Beckmann genutzt.
In geringen Mengen wird er in Kosmetik- und Medizinpräparaten benutzt, zum Beispiel bei Muskelzerrungen, Rheuma oder Neuralgien, in Mitteln gegen Erkältungen (Wick VapoRub enthält 5 % Campher[12]), in der Zahnmedizin zur Desinfektion von infizierten Wurzelkanälen; früher wurde er auch als Analeptikum verwendet, heute jedoch seltener wegen der Wirkungen auf das Herz und den Kreislauf.
Seltene Fälle der Verwendung von Campher als Rauschmittel sind bekannt. Die Wirkungen beim Inhalieren von Campher zeigen sich in Lachanfällen trotz Schmerzen in den Atemwegen. Campher findet noch Verwendung in Schnupftabak aus England, wohingegen er in Deutschland laut Tabakverordnung zu den in Tabak verbotenen Stoffen zählt und nicht hinzugefügt werden darf. Historisch wurde er in China als geschmacks- und strukturverstärkender Zusatz in Speiseeis verwendet.[13]
Allein oder in Verbindung mit Baumharzen und/oder anderen Stoffen wird er als Räucherwerk beim Räuchern verwendet. Ferner werden im Islam die Verstorbenen während der letzten Waschung häufig mit Waschwasser gereinigt, dem zur Parfümierung Campher beigemischt wurde.[14]
Campher wird in 2,5%iger Lösung bei hypotonen oder orthostatischen Dysregulationen zur peroralen bzw. oro-mukosalen Gabe (über die Mundschleimhaut) eingesetzt. Außerdem wird es äußerlich in Form 10%iger Salben angewendet, höhere Konzentrationen können zu schweren Vergiftungen führen. Die Salben wirken durchblutungsfördernd und werden bei chronischer Arthritis, Sehnenscheidenentzündung, traumatischer Schwellung, Myalgie, Bursitis, Zerrung, Verstauchung und entzündlichem Ödem eingesetzt. Konzentrationen von 0,1 % haben eine geringe lokalanästhetische und durch Reizung von Kälteempfindungen leitenden Nervenendigungen kühlende Wirkung. Campher wird schnell über die Haut resorbiert und gelangt über das Blutplasma vor allem in das Fettgewebe. Es passiert die Blut-Hirn-Schranke, die Blut-Milch-Schranke und die Plazentaschranke. Die Metabolisierung erfolgt zu Carbonsäuren und/oder Campheralkoholen, teilweise wird der Wirkstoff glukuronidiert. Die Ausscheidung erfolgt vor allem über die Niere, in geringer Menge auch über die Lunge, den Kot und die Milch.[10]
Campher ist das älteste Analeptikum. Analeptika steigern in geeignetem Dosisbereich die Aktivität bestimmter Abschnitte des Zentralnervensystems. Die pharmakologische Anwendung von Campher wird heute als obsolet bezeichnet. Die früher übliche Anwendung von Campher zusammen mit Pentetrazol (Cardiazol ®) in der Cardiazolschocktherapie als Krampfbehandlung von Geisteskrankheiten erlebte einen Höhepunkt um 1938.
Campher kann synthetisch hergestellt, aber auch durch Wasserdampfdestillation und Kristallisation aus zerkleinerten Pflanzenteilen des Campherbaums gewonnen werden. Natürlicher Campher ist meistens rechtsdrehend [(+)-Campher, „Japancampher“]. In Matricariaarten findet sich aber auch linksdrehender (–)-Campher („Matricariacampher“).[4] Heutzutage wird Campher technisch ausgehend von α-Pinen synthetisiert. Über das intermediäre Carboniumion entsteht dabei hauptsächlich das thermodynamisch stabilere Isobornylacetat, welches in der Folge nach Hydrolyse des Esters zu (–)-Campher oxidiert wird.
α-Pinen wird protoniert; durch Wagner-Meerwein-Umlagerung wird es zu Bornan in Form eines Carboniumions umgelagert. Dieses reagiert mit Natriumacetat zu Isobornylacetat, welches anschließend zum Isoborneol hydrolysiert und zum Schluss zum Campher oxidiert wird. |
Die Totalsynthese von Campher gelang Gustaf Komppa 1903 (Razemat) bzw. 1905.[15] Schon zuvor (1902) wurde bei Schering in Berlin unter Leitung von Ossian Aschan Campher in industrieller Synthese aus Terpentinölen (Pinenen) synthetisiert.
Aus Geranylpyrophosphat über Cyclisierung von Linalool-Pyrophosphat zu Bornyl-Pyrophosphat gefolgt von einer Hydrolyse zu Borneol und anschließender Oxidation entsteht Campher enzymatisch im Salbei (Salvia officinalis).[16]