Australopithecus bahrelghazali | ||||||||||||
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Zeitliches Auftreten | ||||||||||||
Pliozän | ||||||||||||
3,5 bis 3 Mio. Jahre | ||||||||||||
Fundorte | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Australopithecus bahrelghazali | ||||||||||||
Brunet et al., 1996 |
Australopithecus bahrelghazali ist eine Art der ausgestorbenen Gattung Australopithecus. Fossilien, die Australopithecus bahrelghazali zugeordnet wurden, stammen aus einer maximal 3,5 Millionen Jahre alten Schicht der Fundstelle KT 12 im Norden des Tschad.
Die Einordnung der Funde als eigenständige Art ist umstritten. Ihre Bedeutung besteht vor allem im Nachweis eines wesentlich größeren Verbreitungsgebietes der Australopithecinen als zuvor angenommen: vom Afar-Dreieck in Äthiopien über den Ostafrikanischen Graben hinweg bis rund 2500 Kilometer nach Westen.
Australopithecus ist ein Kunstwort. Die Bezeichnung der Gattung ist abgeleitet von lat. australis („südlich“) und griechisch πίθηκος, altgr. ausgesprochen píthēkos („Affe“). Das Epitheton bahrelghazali verweist auf den Fundort im Flussbett des Bahr al Ghazal (arab.: Fluss der Gazellen). Australopithecus bahrelghazali bedeutet also „südlicher Affe vom Gazellenfluss“.
Das erste Fundstück – ein teilweise erhaltener Unterkiefer – wurde 1995 bei Koro Toro (Fundstelle KT 12; Geodaten: 15°58'10 N, 18°52'46 O) entdeckt und 1996 als Holotypus von Australopithecus bahrelghazali ausgewiesen (Archivnummer KT 12/H1).[1][2] Des Weiteren wurde nur ein isolierter Zahn entdeckt. Grabungsleiter Michel Brunet von der Mission Paléoanthropologique Franco-Tchadienne gab dem Unterkiefer den Spitznamen „Abel“, im Gedenken an seinen während Grabungsarbeiten in Kamerun an den Folgen der Malaria verstorbenen Kollegen und Geologen Abel Brillanceau von der Universität Poitiers.[3]
Die Entdecker der beiden Fossilien argumentierten, dass die Zähne von Australopithecus bahrelghazali eine dickere Zahnschmelz-Schicht aufweisen als Ardipithecus ramidus, was ihn von diesem unterscheide, während der Knochenbau des Unterkiefers und die Zahnwurzeln der erhaltenen Prämolaren von den Verhältnissen bei Australopithecus afarensis abweichen. Hinweise auf Körpergröße, Gehirnvolumen oder auf bestimmte Verhaltensweisen existieren aufgrund der sehr bescheidenen Fundlage jedoch nicht; zahlreiche Forscher interpretieren die Funde aus dem Tschad daher als lokale Variante von Australopithecus afarensis.[4]
Aus der gleichen Fundschicht, aus der die Fossilien von Australopithecus bahrelghazali stammen, wurden auch Fossilien diverser anderer Tier- und Pflanzenarten geborgen. Die Forscher bestimmten unter anderem fossile Knochen von landlebenden Arten aus der Gruppe der Schweine, Elefanten und Stegodonten, Giraffen, Antilopen (Parmularius), Springböcke, Rindergiraffen (Sivatherium), Breitmaulnashörner, Pferde (Hipparion), Rinder und Wasserböcke. Ferner fanden sie Überreste von wasserlebenden Arten aus der Gruppe der Barschartigen und der Welsartigen, der Weichschildkröten, Krokodile (Tomistoma), Entenvögel, Flusspferde (Hexaprotodon) und Ottern.[5] Aus dem relativ großen Anteil an Rindern sowie den Springböcken an den Fossilien wurde gefolgert, dass der Lebensraum von Australopithecus bahrelghazali – ähnlich wie bei den anderen Australopithecus-Arten – aus Wasserflächen, bewaldeten Gebieten und baumbestandenem Grasland (Savannen) bestand; diese Interpretation wurde gestützt durch das Fehlen von Waldböcken und Primaten anderer Gattungen als Australopithecus. Zugleich belegte jedoch der Nachweis von Giraffen, dass zumindest eine gewisse Anzahl an Bäumen existiert haben muss.
Anhand des Verhältnisses von 12C-Atomen zu 13C-Atomen im Zahnschmelz wurde hergeleitet, dass Australopithecus bahrelghazali sich insbesondere von C4-Pflanzen ernährte, das heißt, überwiegend von Gräsern.[5] Jedoch weist Australopithecus bahrelghazali – im Unterschied zur wesentlich jüngeren Art Paranthropus boisei – keine spezielle Anpassung seiner Zähne an relativ harte Gräser auf. Daher wurde argumentiert, die Nahrungsaufnahme von Australopithecus bahrelghazali sei vermutlich am ehesten mit den heute lebenden Dscheladas vergleichbar, die sich teils von Gras und Grassamen ernähren, teils von Wurzeln und Knollen.
Laut Erstbeschreibung wurden die Fossilien zunächst biostratigraphisch (anhand von Leitfossilien) auf ein Alter von rund 3,5 bis 3,0 Millionen Jahren datiert. Eine weitere Datierung ergab 2008 ein Alter von 3,58 ± 0,27 Millionen Jahren.[6] Gegen die Datierung der Funde wurde 2008 eingewandt, dass sie nicht in situ entdeckt wurden, dass demnach eine Verlagerung durch geologische oder andere Prozesse nicht ausgeschlossen werden könne.[7]