Atari SA | |
---|---|
Rechtsform | Société anonyme |
ISIN | FR0010478248 |
Gründung | 1. Juni 1983 (als Infogrames Entertainment) 2009 (Umfirmierung zu Atari SA) |
Sitz | Paris, Frankreich |
Leitung | Frédéric Chesnais, CEO & Chairman |
Mitarbeiter | 10 (Mai 2014)[1] |
Umsatz | 39,6 Mio. Euro (2011/2012)[2] |
Branche | Softwareentwicklung |
Website | www.atari.com |
Atari SA ist ein französischer Hersteller von Computerspielen. Das Unternehmen ging aus dem 1983 unter dem Namen Infogrames gegründeten französischen Entwicklungsstudio hervor. Durch zahlreiche Akquisen stieg das Unternehmen zeitweise zu einem weltweit führenden Hersteller und Distributor von Computerspielen auf. Mit der Übernahme von Hasbro Interactive gelangte das Unternehmen zudem in den Besitz der Namensrechte des früheren Konsolenherstellers Atari. Nachdem das Unternehmen von 2003 an bereits mehrere Tochterfirmen in Atari umbenannt hatte und alle seine Spiele unter diesem Label publizierte, wurde 2009 schließlich auch der Konzern selbst von Infogrames Entertainment SA in Atari SA umbenannt. Das Unternehmen ist am CAC Small gelistet.
Infogrames (Aussprache: ɛ̃fɔˈɡʁam (französisch), ˌɪnfoʊˈɡræmz (englisch)) wurde am 1. Juni 1983 von Bruno Bonnell und Christophe Sapet in Lyon gegründet.[3][4] Bei dem Namen handelte es sich um ein Kofferwort bestehend aus den französischen Wörtern „informatique“ (Informatik) und „programme“ (Programm). Das Firmenlogo des Unternehmens zeigte die Abbildung eines Gürteltiers, kombiniert mit dem Firmenschriftzug. Zu den bekanntesten Titeln des Unternehmens zählte unter anderem das 1992 veröffentlichte Survival-Horror-Spiel Alone in the Dark.
Von 1996 bis 2002 begann sich das Unternehmen mit der weltweiten Übernahme zahlreicher Mitbewerber sukzessive zu vergrößern und stieg damit im Geschäftsjahr 2001/2002 zeitweise zum weltweit drittgrößten Hersteller von Spielesoftware nach Electronic Arts und Vivendi Universal Games auf.[5] Ziel war es, erst schrittweise Infogrames Präsenz auf weitere Ländern auszudehnen, später dann den Output an neuen Spielen zu erhöhen.[4] Diese Vergrößerungen wurden allerdings mit einer zunehmenden Verschuldung des Konzerns erkauft.[5] So betrug die Gesamtverschuldung des Konzerns im Jahr 2000 600 Millionen US-Dollar.[6] Bei den übernommenen Unternehmen handelte es sich dabei im Detail um:
Einige dieser Übernahmen wie Accolade und Gremlin bezeichnete Bonnell in einem Interview 2004 nachträglich als Fehler.[6]
Zu den wichtigsten Übernahmen zählte der Erwerb eines 70-%-Anteils am amerikanischen Publisher GT Interactive im Dezember 1999 für 135 Millionen US-Dollar sowie die Übernahme von Unternehmensschulden in Höhe von 75 Millionen US-Dollar.[16]
Das 1993 gegründete Unternehmen GT Interactive wurde u. a. durch das Adventure Discworld Noir und durch den Vertrieb von Spielen wie z. B. Unreal, Doom, Duke Nukem, Blood, Prisoner of Ice und die ersten Oddworld-Spiele bekannt. Zum Zeitpunkt der Übernahme war der Publisher finanziell schwer angeschlagen und hatte mit Hilfe der Investmentbank Bear Stearns nach einem Fusionspartner oder Käufer gesucht.[17] Infogrames, zu diesem Zeitpunkt der größte europäische Computerspiel-Publisher,[17] gelangte durch die Übernahme in den Besitz des amerikanischen Distributions-Netzwerks und des Softwarekatalogs des Unternehmens, unter anderem mit den Spielereihen Driver und Deer Hunter. Hinzu kamen die sieben zu GT Interactive gehörenden Entwicklungsstudios, darunter Humongous Entertainment, Legend Entertainment und Reflections Interactive.[18] GT Interactive wurde im Mai 2000 in Infogrames, Inc. umbenannt.[19]
Im Januar 2001 folgte die Übernahme von Hasbro Interactive, der Software-Sparte des Hasbro-Konzerns für 100 Millionen, bezahlt durch 4,5 Millionen Infogrames-Stammaktien im Wert von 95 Million US-Dollar und fünf Million US-Dollar in bar. Infogrames übernahm dadurch den Entwickler und Publisher MicroProse mitsamt seinen Niederlassungen, einschließlich der Rechte an dessen Spielerserien Civilization, Falcon, Grand Prix und RollerCoaster Tycoon. Weiterhin umfasste die Übernahme die Namensrechte des ehemaligen Konsolen- und Spieleherstellers Atari und dessen Produkte, darunter die Titel Centipede, Missile Command und Pong. Zusätzlich erhielt Infogrames für 15 Jahre plus einer leistungsabhängigen Option auf weitere fünf Jahre die exklusiven Rechte für die Entwicklung und den Verkauf von Computerspielen auf Basis von Hasbro-Spielemarken, darunter die Marken Dungeons & Dragons, Monopoly, Scrabble, Risiko, Cluedo, Mr. Potato Head und Mein kleines Pony.[20][21] Hasbro Interactive wurde nach der Übernahme in Infogrames Interactive, Inc. umbenannt.[22] Das MicroProse-Entwicklerstudio in Großbritannien wurde bereits am 20. September 2002 geschlossen.[23]
Die letzten größeren Akquisitionen dieses Zeitraums bestanden in der vollständigen Übernahme des französischen Entwicklers Eden Studios für 4,1 Millionen US-Dollar, an dem das Unternehmen zuvor bereits einen Anteil von 19,8 % besessen hatte, und des US-amerikanischen Entwicklers Shiny Entertainment für 47 Million US-Dollar. Infogrames erhielt dadurch die Rechte an den Titeln V-Rally 3 und Test Drive Unlimited (Eden Games), sowie an Enter the Matrix (Shiny Entertainment), dem ersten Computerspiel auf Basis der Filmlizenz zu The Matrix.[24][25]
Bereits mit der Veröffentlichung von MX Rider im Jahr 2001 veröffentlichte Infogrames wichtige Großproduktionen unter dem Atari-Label.[26] Im Mai 2003 wurden sämtliche operativen Einheiten des Konzerns in Atari umbenannt, wobei die Konzernholding selbst weiterhin ihren Namen als Infogrames SA beibehielt. Infogrames, Inc. (vormals GT Interactive) firmierte seither als Atari, Inc. Infogrames Interactive (ehemals Hasbro Interactive) wurde in Atari Interactive, Infogrames UK in Atari UK umbenannt.[27] Ähnlich verfuhr Infogrames mit seinen anderen Distributionsniederlassungen: Infogrames Australia Pty Ltd wurde zu Atari Australia Pty Ltd.[11] Die Rechte an dem Namen Atari hatte das Unternehmen bereits im Januar 2001, zusammen mit dem Teilbereich Hasbro Interactive, von Hasbro gekauft.
Seit der Übernahme von GT Interactive verlagerte sich Infogrames' Fokus zunehmend auf den US-amerikanischen Markt. Zum Zeitpunkt des Namenswechsels erwirtschaftete der Publisher rund 65 % seines Umsatzes in den USA.[28] Die US-Tochter hatte jedoch mit häufigen Wechseln in der Geschäftsführung zu kämpfen und blieb stark defizitär. Im Juli 2006 wurde Reflections mitsamt der Driver-Lizenz an den französischen Publisher Ubisoft verkauft.[29] Im Oktober 2006 wurde das Entwicklerstudio Shiny an Foundation 9 verkauft.[30]
Am 5. April 2007 wurde bekannt, dass der letzte verbliebene Infogrames-Gründer und langjährige Firmenleiter Bruno Bonnell das Unternehmen verlassen habe. Neuer CEO und Chairman wurde der Franzose Patrick Leleu.[31] Bonnells Abschied wurde an der Börse allgemein positiv aufgenommen, Analysten sahen in diesem Schritt die Möglichkeit zu einer Neuorientierung des Unternehmens. Am Tag der Ankündigung stieg der Wert der Infogrames-Aktie daher um 24 %.[6] Bereits seit September 2006 lief gegen die seit längerem kriselnde US-Tochter Atari, Inc., die zu diesem Zeitpunkt zu 51,4 % im Besitz von Infogrames war, ein Verfahren zum Ausschluss vom Handel an der Technologiebörse NASDAQ, da der Wert dauerhaft unter die Pflichtmarke von einem Dollar gefallen war. Am 5. September 2007 wurde die Aktie schließlich aus dem Handel genommen.[32] Infogrames übernahm daher für rund elf Millionen US-Dollar die verbliebenen Anteile seiner US-Tochter[33] und reagierte mit einem radikalen Umbau des Board of Directors von Atari, Inc. sowie der Entsendung eines Übergangs-CEOs.[34] Im März 2008 wurde schließlich Jim Wilson zum President und CEO von Atari, Inc. ernannt,[35] Gesamtkonzern-Chef Leleu hingegen war bereits im Januar 2008 wieder von seinen Posten zurückgetreten.[36] Ihm folgten der frühere EA-Manager David Gardner als CEO und Phil Harrison, der ehemalige Leiter der Sony Studios Worldwide, als President.[37] Unter Gardner und Harrison veräußerte Atari im September 2008 34 % seiner Tochter Atari Europe an den japanischen Publisher Namco Bandai.[38] Im Dezember 2008 erwarb Infogrames den auf MMOs spezialisierten Entwickler Cryptic Studios für 28 Millionen US-Dollar und weitere 48 Millionen Dollar an erfolgsabhängigen Boni, hauptsächlich um seine US-Tochter Atari, Inc. neu aufzustellen.[39]
Im Mai 2009 kam es schließlich zu mehreren entscheidenden Veränderungen. Am 14. Mai wurde bekannt, dass Infogrames seine europäische Distributions-Niederlassung Atari Europe vollständig an Namco Bandai abstoßen und sich damit aus dem europäischen Sektor zurückziehen werde. Die US-Tochter Atari, Inc. blieb davon unberührt.[40][41] Da der Atari-Name zudem größere Bekanntheit besaß und die unterschiedlichen Firmenbezeichnungen in der Öffentlichkeit bisweilen als verwirrend aufgefasst wurden, benannte sich auch der Infogrames Entertainment SA in Atari SA um.[42][43][44] Weiterhin zog sich Phil Harrison von seinem Posten als President und damit aus der Geschäftsführung zurück, verblieb dem Unternehmen jedoch als Director of the Group verbunden. Im selben Zug wurde als neuer Chief Operating Officer der ehemalige COO von THQ und CEO von Take 2, Jeff Lapin, verpflichtet.[45]
Am 11. Dezember 2009 trat David Gardner vom Posten des Geschäftsführers der Atari SA zurück, sein Nachfolger wurde Lapin, der das Unternehmen von Los Angeles aus leitete. Unterstützt wurde er durch ein sogenanntes Executive Committee, bestehend aus Jim Wilson (CEO Atari, Inc.), John Needham (CEO Cryptic Studios), Fabrice Hamaide (CFO Atari SA) und Alexandra Fichelson (General Secretary).[46] Im April 2010 wurde Nolan Bushnell, 1973 Gründer des ursprünglichen Konsolenherstellers Atari, Berater und Aufsichtsratsmitglied des Unternehmens.[47] Lapin verließ das Unternehmen im Dezember 2010, sein Nachfolger an der Spitze des Gesamtkonzerns wurde der bisherige President und CEO der US-Tochter Atari, Inc., Jim Wilson.[48] Im selben Geschäftsjahr wurde der Sitz des Unternehmens von Lyon nach Paris verlegt.[49]
Im Mai 2011 stieß Atari sein Entwicklerstudio Cryptic Studios für 35 Millionen Euro bzw. 49,8 Millionen US-Dollar in bar an das chinesische Unternehmen Perfect World ab,[50] nachdem das Unternehmen die beiden Jahre zuvor lediglich Verluste in Höhe von 12,6 Millionen Euro und 5,3 Millionen Euro verzeichnet hatte.[51]
Am 21. Januar 2013 meldete das Unternehmen Insolvenz an.[52] Bereits am Tag zuvor hatte die US-Tochter Atari, Inc. Gläubigerschutz nach Chapter 11 beantragt, mit dem Ziel, sich vom Mutterkonzern zu lösen.[53] Auslöser waren unter anderem die bereits 2010 angekündigten Bestrebungen des Hauptanteilseigners BlueBay, seine Anteile am Unternehmen abzustoßen. Da kein passender Ersatz gefunden werden konnte, sah sich das Unternehmen gezwungen, Gläubigerschutz zu beantragen. Am 5. Februar 2013 wurde bekannt, dass der Franzose Frédéric Chesnais, von 2001–2004 CFO und COO von Infogrames Entertainment sowie von 2004–2007 CEO der Tochter Atari Interactive, über seine Investmentfirma Ker Ventures 25,23 % des Unternehmens von BlueBay übernommen habe. Chesnais zahlte symbolisch 400 Euro für dessen 7.451.122 Anteilsscheine und Pflichtwandelanleihen im Gegenwert von weiteren 5.528.736 Aktien. Chesnais stellte zudem Atari kurzfristiges Kapital in Höhe 250.000 Euro zur Verfügung und wurde mit dem Deal zum CEO von Atari SA ernannt. Gleichzeitig übernahm der auf Sanierungen spezialisierte Investor Alden Fund einen 21 Millionen Euro hohen Unternehmenskredit von BlueBay und verschaffte Atari eine Finanzierung über weitere fünf Millionen US-Dollar.[54]
Da die Suche nach einem geeigneten Käufer für Atari, Inc. erfolglos blieb, gab die US-Tochter bekannt, sämtliche verbliebenen Rechte, einschließlich der Marke Atari, in einer Auktion im Juli 2013 zum Verkauf anbieten zu wollen. Auch Atari SA, das sein Schicksal in einer Stellungnahme an seine Aktionäre vom 15. Mai eng mit dem Ausgang des Insolvenzverfahrens seiner US-Tochter verknüpft sah, begann mit dem Verkauf von Markenrechten, etwa die Rechte an seinem Action-Adventure Outcast, der Strategieserie Desperados und dem Rollenspiel Silver.[55] Am 25. Juni 2013 wurde bekannt, dass Nordic Games die Markenrechte zu Silver und Desperados erworben habe.[56] Die Rechte an Outcast wurden an die Schöpfer des Spiels zurückverkauft.[57] Letztlich wurde für das Portfolio der Atari, Inc. jedoch kein ausreichend hohes Angebot eingereicht. Stattdessen erarbeitete die Unternehmenstochter einen Insolvenzplan, der im Dezember 2013 vor dem Insolvenzgericht in Manhattan angenommen wurde.[58] Später konnte auch Atari SA das Insolvenzverfahren hinter sich lassen.
Ende März kündigte Atari eine Partnerschaft mit FlowPlay über die Entwicklung eines Casino-Spiels mit Atari-Klassikern für Webbrowser, soziale Netzwerke und Mobilgeräte an,[59] im April 2014 veröffentlichte das Unternehmen den Smartphone-Titel Rollercoaster Tycoon 4 Mobile.[60] Im Mai 2014 gab Chesnais gegenüber Venture Beat an, die Marke Atari aufgrund der wechselhaften Vergangenheit und zahlreichen Besitzerwechsel neu positionieren und wieder auf seine ursprüngliche Kernidentität zurückführen zu wollen. Künftig werde die Firma daher primär externe Studios mit der Entwicklung von Spielen zu vorhandenen Atari-Marken beauftragen und sich auf die Produktion und Distribution derselbigen konzentrieren. Gleichzeitig deutete er aber auch Überlegungen an, wieder ins Hardwaregeschäft einsteigen und Atari als Lifestyle-Marke wiederbeleben zu wollen.[1]
Gelistet sind nur Spiele, die vor der Umstellung auf den Namen Atari von Infogrames entwickelt und veröffentlicht wurden. Für Spiele unter dem Atari-Logo siehe Auflistung im Artikel Atari, Inc. (2003).