Klassifikation nach ICD-10 | ||
---|---|---|
I70.- | Atherosklerose | |
ICD-10 online (WHO-Version 2016) |
Unter Arteriosklerose (von altgriechisch ἀρτηρία artería „Ader“ und σκληρός sklerós „hart“), umgangssprachlich oft auch Arterienverkalkung oder Arterienverhärtung genannt, versteht man eine Systemerkrankung der Schlagadern (Arterien), die zu Ablagerungen von Blutfetten, Thromben, Bindegewebe und in geringeren Mengen auch Calciumphosphat in (und nicht etwa an) den Gefäßwänden führt. Der Begriff Arterienverkalkung ist deshalb etwas ungenau, da es sich bei Kalk chemisch um Calciumcarbonat handelt.
Die Folgeerscheinungen der Arteriosklerose bilden die häufigste Todesursache in westlichen Industrienationen. Diese Form der Sklerose steht im besonderen Fokus der medizinischen, biochemischen und biomechanischen Forschung. Die Arteriosklerose ist eine Erkrankung des Arteriensystems, entwickelt sich langsam, häufig über Jahrzehnte symptomlos, bis sie sich durch Ischämie, Thrombose, Angina pectoris, Herzinfarkt, Schlaganfall oder plötzlichen Herztod manifestieren kann.
Kennzeichen der Erkrankung ist eine chronisch fortschreitende Degeneration der Arterienwände. Durch Bindegewebewucherung, intra- und extrazelluläre Einlagerungen von Cholesterin, Fettsäuren und Calciumphosphat sowie Akkumulation von Kollagen und Proteoglykanen kommt es zu einer Verhärtung und Verdickung der Gefäßwände, die mit einer abnehmenden Elastizität der Gefäßwände einhergehen und i.d.R. auch zu Verengungen des Gefäßvolumens führen. Bei den auftretenden Mineraleinlagerungen handelt es sich um Carbonat-haltigen Hydroxylapatit, der chemisch eine große Ähnlichkeit zur Calciumphosphat-Phase des Knochens aufweist.[1]
Wörtlich übersetzt heißt Arteriosklerose bindegewebige Verhärtung der Schlagadern. Die Trennung der beiden Begriffe Arteriosklerose und Atherosklerose hat einen historischen Ursprung: Während die Atherosklerose primär durch einen Schaden der inneren Gefäßwand entsteht und als (Ernährungs-) Wohlstandserkrankung früher weitaus seltener war als heute, entsteht die Arteriosklerose vor allem innerhalb der mittleren Gefäßwand. (Genauer: Arteriosklerose Typ Mönckeberg, sie entsteht als Mediakalzinose).
Die Pathogenese der Arteriosklerose ist Gegenstand fortdauernder Forschung und nicht vollständig geklärt. Mit Hilfe des immer detaillierteren Verständnisses der biochemischen Vorgänge in und zwischen Zellen und anhand von (zahlreich vorliegenden) histologischen Befunden wird versucht, die Ursachen und den biochemischen Ablauf zu klären.
Hinsichtlich der Aufklärung der Mechanismen, die zur Initiierung der Arteriosklerose führen, haben sich in den letzten Jahrzehnten breitgefächerter Arterioskleroseforschung zwei zentrale Hypothesen herauskristallisiert: die „Response to injury hypothesis“ und die „Lipoprotein-induced atherosclerosis hypothesis“.
Nach der 1976 von dem amerikanischen Arterioskleroseforscher Russell Ross aufgestellten Hypothese Response to injury initiiert eine Verletzung der inneren Arterienwandschicht das arteriosklerotische Geschehen. Die innere Arterienwandschicht, die Intima, besteht aus einer einzelligen Lage Endothelzellen und dem subendothelialen Bindegewebe. In seiner Arbeit zählt Ross mehrere Ursachen für die Verletzungen der Endothelzellschicht auf. Hierzu gehören morphologische Schädigungen durch Trauma, zum Beispiel durch Bluthochdruck oder mechanische Verletzungen, biochemische Schädigungen durch bakterielle Toxine, Angriff durch Viren oder Antigen-Antikörper-Reaktionen sowie biophysikalische Verletzungen auf molekularer Ebene. Als Folge der Verletzung der Endothelzellschicht werden zwei für die Entstehung dieser Krankheit typische Phänomene beobachtet: zum einen die durch Wachstumsfaktoren bzw. Zytokine ausgelöste Wucherung (Proliferation) und Wanderung (Migration) von glatten Muskelzellen aus der mehrschichtigen Media in die Intima, und zum anderen die durch Fetteinlagerung verursachte Bildung von Schaumzellen in Intima und Media. Diese beiden Erscheinungen führen über einen längeren Zeitraum zur Bildung herdförmiger Gewebeveränderungen (Plaques), die für das Bild der Arteriosklerose charakteristisch sind. In den letzten Jahren rückt zunehmend auch eine gesteigerte Apoptoserate in den Fokus des Forschungsinteresses.[2]
Die „Response-to-injury“-Hypothese setzt eine konkrete Verletzung voraus, die naturgemäß zeitlich begrenzt stattfindet. Ein modifizierter Ansatz spricht von einer endothelialen Dysfunktion als Ursache für die Auslösung von Arteriosklerose, womit jegliche Fehlfunktion des Endothels gemeint ist, die die Entstehung von Arteriosklerose fördert. Ob die Fehlfunktion nun durch eine singuläre Verletzung oder durch eine allmählich auftretende Disbalance endothelialer Funktionen hervorgerufen wird, ist dabei nebensächlich.
Der amerikanische Forscher und Nobelpreisträger Joseph Leonard Goldstein berichtete als Erster von der zügigen Aufnahme von chemisch modifiziertem LDL durch Makrophagen und der darauffolgenden Umwandlung zu Schaumzellen. Die chemische Modifizierung bestand in einer Acetylierung des Proteinanteils. In Anbetracht der wichtigen Rolle von LDL und seiner modifizierten (oxidierten) Form für die Entstehung der Arteriosklerose entstand eine neue Hypothese, welche die Verletzung von Endothelzellen nur als einen Teilschritt in einer Abfolge von komplexen Vorgängen sieht. In der oxidativen Modifizierung von LDL bzw. der Inhalte der LDL-Partikel wird die eigentliche Ursache für die Initiierung des arteriosklerotischen Geschehens gesehen.[3][4]
In der Beschreibung des weiteren Verlaufs sind beide Hypothesen identisch. Die Bildung von Schaumzellen verursacht eine Entzündungsreaktion, welche im weiteren Verlauf auf tiefere Bereiche der Arterienwand – wie die Media mit ihren Muskelzellen – übergreifen kann. Folge ist ein allmählicher Gewebeumbau, wobei in der Arterie eine bindegewebsartige Kappe entsteht, die im Inneren einen Lipidkern aufweist. Der Lipidkern resultiert demnach aus dem Inhalt der abgestorbenen Schaumzellen, die eine große Menge an oxidierten LDL-Partikeln aufgenommen haben. An aufgebrochenen arteriosklerotischen Plaques finden dann Blutgerinnungsreaktionen statt, die den Gefäßdurchmesser der Arterien weiter verringern. Durch diesen Gewebeumbau wird die so geschädigte Arterie brüchig. Das Endstadium dieses Prozesses wird umgangssprachlich als „Arterienverkalkung“ bezeichnet. Die Bildung der arteriosklerotischen Plaques ist bis zur vermehrten Bildung der Schaumzellen umkehrbar. Dieser Effekt wurde bei einer Reihe von Personen beobachtet, welche mit Ausdauersport begannen, wobei der Cholesterinspiegel signifikant sank und sich das Verhältnis der verschiedenen Lipoproteine deutlich zum HDL hin verschob. Über dieses Stadium hinaus ist der Prozess nicht mehr umkehrbar; die Schäden sind bleibend.
Eine Arteriosklerose kann sich in jedem großen und kleinen arteriellen Gefäß des Körpers entwickeln. Dabei sind die einzelnen Gefäßprovinzen aber – abhängig von den vorliegenden Risikofaktoren – oft unterschiedlich stark betroffen. Bei den großen, mittleren und kleineren arteriellen Gefäßen wird der Vorgang als Makroangiopathie bezeichnet, bei den sehr kleinen als Mikroangiopathie. Eine sehr ausgeprägte Mikroangiopathie findet sich oft als Folge einer langjährigen Zuckerkrankheit. Eine besondere Form der Arterienverkalkung ist die Mediasklerose, bei der die Muskelschicht der Arterien sehr stark verkalkt. Häufige Ursachen für eine Mediasklerose sind die Zuckerkrankheit und hochgradige chronische Nierenschäden.
Auch innerhalb einer bestimmten Gefäßprovinz finden sich die arteriosklerotischen Läsionen nicht statistisch verteilt, sondern bevorzugt an Stellen, die sich durch hämodynamische Besonderheiten auszeichnen. Charakteristischerweise sind Stellen betroffen, an denen die stetige laminare Strömung des Blutes gestört ist. Dieses ist – physikalisch bedingt – stets an Gefäßverzweigungen der Fall. An diesen Stellen kommt es auch bei gesunden Menschen zwangsläufig zu Endothelschäden, die durch strömungsbedingte Apoptose einzelner Endothelzellen ausgelöst werden. Die umliegenden Endothelzellen kompensieren dieses über längere Zeit durch Zellproliferation, bis ihr Teilungspotential erschöpft ist. Vermutlich haben Endothelzellen im Gegensatz zu anderen differenzierten Körperzellen zu diesem Zweck eine minimale Telomeraseaktivität, welche ihre Lebensspanne beträchtlich verlängert. Interessanterweise zeigen sämtliche anderen bekannten arteriosklerotischen Risikofaktoren in vitro eine Erhöhung der endothelialen Apoptose, sodass ihre Wirkung auf einer Beschleunigung der Erschöpfung des endothelialen Regenerationspotentials beruhen könnte.
Als Folge der Arteriosklerose können sich an den betroffenen Gefäßabschnitten Engstellen und Verschlüsse bilden. Die Gefäßwand kann auch derart geschwächt werden, dass sie sich ausweitet und ein Aneurysma entsteht. Sowohl die Engstellen als auch die Ausweitungen bedingen ihrerseits wiederum Störungen der Laminarität des Blutflusses, wodurch sich die Endothelschädigung, die von den Strömungsverhältnissen angeregt wird, fortsetzt.
Häufige und bedeutsame Folgen einer Arteriosklerose sind der Schlaganfall, wenn die großen Halsarterien (Arteria carotis communis, Arteria carotis interna) betroffen sind, der Herzinfarkt, wenn sich Herzkranzgefäße zusetzen, die Erweiterung der Bauchschlagader (Aortenaneurysma) und die arterielle Verschlusskrankheit der Beine (pAVK). Seltener sind die arteriellen Gefäße, die die inneren Organe mit Blut versorgen, betroffen. Eine symptomatische pAVK der Armarterien findet sich in etwa zehn Prozent der Fälle.[5]
Die PROCAM-Studie nennt als Risikofaktoren (Cardiovascular risk factors CVRF) in der Reihenfolge der Relevanz:
Weitere Faktoren sind Lipoprotein a[6], Übergewicht und Taille-Hüft-Verhältnis, Lebensweise (z. B. energie- und fettreiche Ernährung, Stress) ebenso konstitutionelle Faktoren (z. B. Depression) und Umweltfaktoren (z. B. Feinstaubbelastung[7], nächtlicher Lärm[8]).
Es gibt Indizien, die nahelegen, dass die Qualität der Ernährung und die Zusammenstellung eine Rolle spielen, wobei eine mediterrane einer fettarmen Ernährung überlegen zu sein scheint.[9]
In der Therapie wird zwischen nicht beeinflussbaren und beeinflussbaren Risikofaktoren unterschieden.
Die Präventions- und Behandlungsmöglichkeiten von Arteriosklerose sind weitgehend identisch und unterscheiden sich vor allem im jeweiligen Ausmaße. Bei den Behandlungsmöglichkeiten kommen lediglich die invasiv-medizinischen (chirurgischen) Eingriffe hinzu. Für die reine Prävention am wichtigsten sind beim ansonsten gesunden Menschen ausreichende Bewegung und eine allgemein gesunde Ernährungsweise.
Medikamentös/nicht-invasiv
Invasiv
Ausreichende Bewegung schon in leichter Form (Spaziergänge) kann erheblichen Einfluss auf Ausbildung und Verlauf von arteriosklerotischen Erkrankungen haben. Als reguläre Sportarten werden die Ausdauersportarten im Umfange von Freizeitsport empfohlen. Sport im Umfang von Leistungssport wird weder als notwendig erachtet noch empfohlen.
Die allgemeinen Regeln der gesunden Ernährung des Menschen sollten beachtet werden (u. a. reichlich Gemüse, Obst und Vollkornprodukte). Besonders empfohlen im Zusammenhang mit Arteriosklerose wird jedoch die typisch mediterrane Ernährungsweise.[10]
Die Folgen der Arteriosklerose beruhen in erster Linie auf Durchblutungsstörungen z. B.
Hinsichtlich des Hirns kann es beispielsweise durch Ablösung arteriosklerotischer Plaques zum Schlaganfall oder dementieller Veränderungen kommen.